Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
finden würde. Erinnerungsfetzen an die Naturi und der Gedanke an die Bedrohung durch die Bori wirbelten mir durch den Kopf. Angesichts dieser Kombination fragte ich mich, ob ich überhaupt je wieder ein Auge zumachen würde.
Die Naturi hatten sich zu einer größeren Bedrohung entwickelt, als ich es je für möglich gehalten hätte. Seit Rowe im letzten Sommer den Feldzug zur Befreiung seiner Frau und Königin begonnen hatte, waren ihm Dutzende von Menschen zum Opfer gefallen. Allzu häufig hatte man den Leichen die Brust aufgerissen, um die Organe für Blutmagie zu entnehmen, damit der einäugige Naturi Mira immer eine Nasenlänge voraus war. In Machu Picchu waren dreizehn Menschen geopfert worden, um das Tor zwischen den Welten zu öffnen – Unschuldige, denen man das Herz herausgerissen hatte.
Und jetzt, da Aurora frei war, würde es noch mehr Massaker geben. Sie kannte nur ein Ziel, nämlich die Menschheit vom Antlitz der Erde zu tilgen und den Planeten so von einer tödlichen Plage zu befreien. Bisher war die Königin der Naturi noch nicht aus der Deckung gekommen, aber das war nur eine Frage der Zeit. Irgendwann würde sie zuschlagen, und ich befürchtete, dass die Nachtwandler ihrem Ansturm nicht würden Paroli bieten können. Schon in Machu Picchu hatten wir ihre Entschlossenheit unterschätzt. Jetzt, unter der Führung von Aurora, waren sie noch zahlreicher und noch mächtiger.
Gaizka hingegen war ein anderes Problem. Ich hatte nie damit gerechnet, mich mit dem Bori, der einen Teil meiner Seele in den Klauen hielt, auseinandersetzen zu müssen. Er hatte einen Nachtwandler und einen unschuldigen Menschen als Marionetten benutzt und zugelassen, dass ich beide tötete. Einer Frau hatte er die Kehle herausgerissen, nur weil sie die Gesellschaft von Nachtwandlern gesucht hatte, und sein Ziel war vermutlich gewesen, die Existenz der Nachtwandler vor der ganzen Welt zu enthüllen. Und jetzt war er hinter einem jungen Mädchen her, einfach weil es über die einzigartige Gabe verfügte, ihn aufspüren zu können.
Das Mädchen. Bei dem Chaos, das in Miras Gesellschaft stets ausbrach, hatte ich es ganz vergessen. Ich musste dieses Mädchen finden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Bori sie entweder vollkommen unter Kontrolle hatte oder schließlich doch die Geduld verlor und sie tötete. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr. Irgendwie schien das für uns alle zu gelten.
Auf dem Gehweg steckte ich die Hände in die Taschen und ging über die Straße zu dem kleinen Platz, der das Zentrum dieses Viertels bildete. Ein Schild am Eingang zu der parkartigen Anlage verriet, dass es sich um den Monterey Square handelte. Lebenseichen und Magnolien beschatteten den Park. Zu meiner Linken erstreckte sich ein großer weißer Tempelbau, zur Rechten lag das berüchtigte Mercer House. In der Mitte des Platzes stand das Pulaski-Denkmal.
Die Nacht war ruhig, bis auf das Rascheln trockenen Laubs, das der auffrischende Wind über den Gehweg wirbelte. Es wurde kälter, und mein Atem bildete eine kleine Wolke. In der Ferne war das beständige Rauschen des Verkehrs auf den Hauptstraßen zu hören. Es schien, als läge die Welt um mich herum in tiefem Schlaf, und doch kam es mir vor, als wäre ich nicht allein.
Ich drehte mich vorsichtig zum Denkmal um und suchte die Umgebung nach dem Wesen ab, das ich deutlich spüren konnte. Gerade wollte ich meine Kräfte einsetzen, um die Gegend gründlicher zu durchleuchten, als am Fuß einer Eiche eine Kreatur aus der Hocke kam. Die schmale Gestalt schien aus den Schatten emporzuwachsen, als bestünde sie aus reiner Dunkelheit.
Ich wich einen Schritt zurück, zog das Messer, das ich am Kreuz trug, und ließ das Licht einer nahen Straßenlaterne auf der Silberklinge funkeln. Die Kreatur zeigte sich unbeeindruckt und kam weiter auf mich zu.
Nach ein paar Schritten trat mein Gegenüber endlich ins Laternenlicht. Ich biss die Zähne zusammen – es war ein Naturi. Er hatte dunkelblondes Haar und grüne Augen, die im Laternenlicht wie Edelsteine funkelten. Der Naturi hielt eine kurze Klinge in der Rechten und grinste mich an wie ein verrückter Clown.
»Du kannst sie nicht ewig beschützen«, rief er mir entgegen, als wir nur noch etwa drei Meter voneinander entfernt waren. Dann blieb er stehen und breitete die Arme aus, als wollte er mich zum Angriff einladen.
Ich blieb stumm und beobachtete ihn scharf, während ich darauf wartete, dass er den ersten Schritt machte. Er würde diesen Platz nicht
Weitere Kostenlose Bücher