Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
einen dunkleren Grund.
»Mira, sie ist nicht mehr bei uns«, murmelte ich und versuchte, es ihr so schonend wie möglich beizubringen. »Calla ist schon vor Jahrhunderten von uns gegangen. Sie war deine menschliche Tochter, und sie ist längst verstorben. Sie wird auf immer vor Nerian und allen anderen Naturi in Sicherheit sein.«
»Aber … «
»Sie ist nicht hier«, fuhr ich fort. Ich strich ihr mit der Linken eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. »Es tut mir leid. Wir beide sind alleine in diesem Zimmer. Keine Naturi. Und keine Calla.«
»Aber ich habe sie doch gesehen!«
»Nein, hast du nicht. Das waren Halluzinationen. Du hast dich seit Tagen nicht gekräftigt. Das merke ich doch. Du musst dich stärken, bevor du dir oder jemand anders ernsthaft Schaden zufügst.«
Mira blinzelte. Verwirrung legte sich über ihr Gesicht. Die Furcht, die sie beherrscht hatte, schien verflogen, stattdessen trat wieder der Hunger in den Vordergrund. Als der Drang sich schlagartig wieder meldete, zuckte sie zusammen, aber ich spürte, wie sie ihn unterdrückte. Sie hatte einst geschworen, dass sie sich nie an mir kräftigen würde, und zu meiner eigenen Überraschung hatte ich ihr geglaubt, als sie diesen Eid abgelegt hatte. Obwohl sie dem Verhungern nahe sein musste, wusste ich genau, dass sie mich nur dann beißen würde, wenn sie vollkommen die Kontrolle über sich verloren hätte. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sie diesem Punkt immer näher kam.
»Danaus?«, flüsterte sie. »Was geschieht mit mir?«
»Du musst dich kräftigen. Gabriel ist hier. Oder du gehst in die Stadt, auf die Jagd. Du musst etwas unternehmen, bevor du noch jemanden umbringst.«
»Das … das kann ich nicht«, sagte sie und schüttelte meine Hand ab. Sofort verlöschten die Feuerbälle, und der Raum war schlagartig in Dunkelheit getaucht.
»Das kann so nicht weitergehen«, sagte ich, obwohl ich es selber kaum glauben konnte, dass ausgerechnet ich sie überreden wollte, das Blut eines Menschen zu trinken. Die Alternative war allerdings noch schlimmer. Eine verhungernde Mira würde dieser Stadt und der ganzen Welt noch viel mehr Schaden zufügen. Sie halluzinierte bereits, und ihr Verstand wurde langsam, aber sicher zwischen Paranoia und Irrsinn zerrieben.
Ich trat einen Schritt auf sie zu, als sie zu ihrem Schreibtisch taumelte. Sie nahm das Handy von der Arbeitsfläche und wählte hastig.
»Ich brauche dich«, sagte sie leise. »Ich kann nicht länger warten.« Sie wartete die Antwort nicht ab und legte auf.
Ich war im Begriff, zu der Nachtwandlerin hinüberzugehen, und einen letzten verzweifelten Versuch zu unternehmen, sie zum Trinken zu überreden, als in der Luft neben der Tür ein leises Plopp ertönte. Ich sah auf und entdeckte Ryan, wie üblich im grauen Anzug. Das schlohweiße Haar fiel ihm auf die Schultern. Er funkelte mich aus goldenen Augen an, bevor er sich Mira zuwendete.
»Was hast du hier zu suchen?«, fuhr ich ihn an. Irgendwie machte mich seine Anwesenheit in Miras Haus plötzlich wütend. Der Zauberer hätte längst wieder in England sein sollen, statt immer noch hier in Savannah herumzulungern. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
»Ich bin hier, um Mira zu helfen«, antwortete er lächelnd.
»Geh, Danaus!«, befahl Mira mit harter, kalter Stimme.
»Ich gehe nirgendwohin«, gab ich zurück und hob die Stimme. »Was wird hier gespielt?«
»Ich glaube, die Lady hat dich gebeten, uns zu verlassen«, sagte Ryan und grinste noch breiter. Mit einem Wink hob mich Ryan auf magischem Weg in die Luft und schleuderte mich auf den Flur. Die Türflügel der Bibliothek wurden mir wie von Geisterhand vor der Nase zugeschlagen. Das Krachen dröhnte durchs ganze Haus. Mira war mit Ryan alleine, und ich konnte nichts tun, um zu verhindern, was der Zauberer mit ihr im Schilde führte.
26
Der Perserteppich im Flur dämpfte meine Schritte, während ich wie ein Tiger im Käfig auf und ab lief. Nachdem ich wieder auf die Füße gekommen war, hatte ich versuchte die Türen zu öffnen und zurück ins Zimmer zu stürmen, aber sie waren magisch versiegelt. Bevor Ryan nicht mit Mira fertig war, würde ich nicht wieder reinkommen.
Der Zauberer neigte dazu, Menschen auszunutzen, ohne dass sie es mitbekamen. Charismatisch und manipulativ, wie er war, schien Ryan immer seinen Willen durchzusetzen, ohne irgendwelche Abstriche machen zu müssen. Als er zu Themis gestoßen war, hatte ich ihm nur zu gerne die Führung der Forscher überlassen.
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