Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
weggestoßen und wäre gegangen. Ich verfluchte Mira dafür, dass sie mich in diese Lage gebracht hatte, und ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich sie mehr brauchte als die Luft zum Atmen.
Natürlich konnte ich mir einreden, dass sie mich überrumpelt und in einem schwachen Moment erwischt hatte, dass ich noch gar nicht richtig wach gewesen war – oder dass sie nur das bekommen hatte, was sie verdient, aber nichts davon entsprach der Wahrheit. Ich wollte sie. Ich begehrte sie, seit ich sie vor Monaten das erste Mal in jenem leer stehenden Haus getroffen hatte. So leblos sie tagsüber sein mochte, nachts war sie lebendiger und intensiver als jedes andere Wesen, das ich je kennengelernt hatte. Sie schämte sich keine Sekunde dafür, wer und was sie war. Und wenn sie bei mir war, konnte ich einfach nicht genug von ihrer Energie bekommen. Ihre kühle Kraft umfing mich und linderte die Wut und die Enttäuschung, die ewig in mir zu brennen schien.
Ich stand widerwillig auf und trottete die Treppe ins Erdgeschoss hinab. Ich konnte die Worte nicht zurücknehmen, und nichts, was ich sagte, konnte Miras Schmerz lindern. Gerade hatte ich mich nach einem kurzen Rundgang in einem Sessel im Wohnzimmer niedergelassen, als ich hörte, wie im Obergeschoss die Dusche rauschte. Tristan kam herein, dicht gefolgt von Lily. Beide sahen besorgt und verwirrt aus.
»Mira hat gesagt, wir sollen uns mit ihr in ihrem Haus in der Stadt treffen«, verkündete Tristan, als er vor mir stand.
»Ich warte hier auf Mira. Würdest du Lily schon hinfahren?«, fragte ich. Ich musste dringend noch mal mit Mira sprechen und einen Weg finden, ihr gekränktes Ego wieder aufzurichten. Zwar hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie ich diese Herkulesaufgabe meistern sollte, aber versuchen musste ich es.
Lily drängte sich an Tristan vorbei und pflanzte sich vor mir auf. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte mich finster an. »Was hast du angestellt?«, schimpfte sie. Ich wollte lieber nicht so genau wissen, warum sie so felsenfest davon überzeugt war, dass das alles meine Schuld war; ich fand, dass Mira durchaus ebenfalls dazu beigetragen hatte. Aber wahrscheinlich war das einfach weibliche Intuition. Frauen hatten einen sechsten Sinn dafür, wenn eine Schwester von einem Mann verletzt worden war.
»Gar nichts. Außerdem ist das eine persönliche Angelegenheit, die ich lieber privat regeln würde«, sagte ich schroff und funkelte sie an. Dass sich jetzt auch noch eine Halbstarke in meine Intimsphäre einmischte, hatte ich wirklich nicht nötig.
Ich kniff die Augen zusammen und biss vor lauter Wut die Zähne zusammen. Mira und mein Liebesleben hatten ja wohl nicht das Geringste miteinander zu tun! Sie war eine Nachtwandlerin wie jede andere, und das hieß, dass wir höchstens beruflich miteinander verkehrten. Ich war Jäger, da bekam man es zwangsläufig mit Nachtwandlern zu tun. Oder jedenfalls war ich mal Jäger gewesen. Jetzt hatte ich langsam keinen Plan mehr, was überhaupt los war. Noch vor sechs Monaten hatte ich tagein, tagaus ohne irgendwelche Gewissensbisse Nachtwandler getötet. Heute Nacht hatte ich Mira geküsst, und insgeheim wusste ich genau, dass ich es wieder tun würde, wenn sie mir noch mal die Chance dazu gab. Ich begehrte sie so sehr, wie ein Vampir Blut begehrt. Ohne sie konnte ich nicht leben. Sie wies mir den Weg durch eine Welt, die mir Nacht für Nacht fremdartiger erschien.
»Ich bringe sie dann schon mal rüber ins andere Haus«, willigte Tristan ein und legte dem Teenager die Hand auf die hochgezogene Schulter. »Mira ist bestimmt jeden Augenblick da.« Tristan steuerte Lily mit sanftem Druck von mir fort und zurück in die Küche. Sie gab keinen Laut von sich, schüttelte aber vielsagend den Kopf.
Eine halbe Stunde später kam auch Mira die Treppe runter, doch bei ihrem Anblick hatte ich das Gefühl, man würde mir ein Messer in der Brust herumdrehen. Sie war wie üblich ganz in Schwarz gekleidet, trotzdem sah sie anders aus als sonst. Statt der normalen Mischung aus hautengem Leder und nackter Haut trug sie lange Baumwollhosen und einen dazu passenden Rollkragenpullover. Ein kurzer Ledermantel fiel ihr bis auf die Schenkel, weiche Lederhandschuhe vervollständigten das Outfit. Tatsächlich war nur ihr Gesicht unbedeckt, und selbst das lag unter ihrem fließenden Haar und einer großen, dunklen Sonnenbrille verborgen. Mira versteckte sich, und zwar nicht nur vor mir, sondern auch vor den Blicken der
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