Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
Kiefer ausrenkte. Ich bezweifelte, dass er mehr als drei Stunden Schlaf bekommen hatte, immerhin hatte ich selbst bei all dem Herumtelefonieren und der Fahrerei auch nicht mehr einschieben können. Es gab eine Angelegenheit, die ich gerne mit James an meiner Seite erledigen wollte, allerdings hatte ich das Gefühl, dass wir damit tagsüber eher Erfolg haben würden.
»Wach auf!«, knurrte ich, als ich mich ihm näherte.
James schreckte auf und lächelte mich entschuldigend an. »Tut mir leid. Hab in letzter Zeit nicht viel Schlaf bekommen«, sagte er.
»Das kannst du alles heute Nacht nachholen«, sagte ich und machte eine Geste, die anzeigte, dass wir auf den Hintereingang zusteuern sollten, der auf die River Street hinausging.
»Ich weiß. Ryan hat mich zurückbeordert«, antwortete James.
»Wirklich?«, fragte ich, bevor ich mich zurückhalten konnte. Der Zauberer hatte doch so getan, als wollte er mir den Forscher unbedingt zur Seite stellen, und jetzt beorderte er ihn nach London zurück. Das ergab keinen Sinn.
James zuckte die Achseln, als wir in den Fahrstuhl stiegen. Er drückte den Knopf fürs Erdgeschoss. »Du weißt doch, wie Ryan ist.«
Das wusste ich in der Tat. Der Zauberer tat nichts ohne Grund. Irgendwie wollte er nicht länger, dass James mir half, und das gefiel mir ganz und gar nicht.
»Fliegt er auch zurück?«, fragte ich.
In der verspiegelten Fahrstuhltür sah ich noch, wie James die Augenbraue hob, bevor die Kabine sich öffnete. »Ich dachte, der wäre schon weg. Er hat sich seit meiner Rückkehr ins Hotel nicht mehr bei mir gemeldet.«
Kopfschüttelnd trat ich aus dem Fahrstuhl und ging auf der Ausgang zur River Street zu. »Ich weiß wirklich nicht, was Ryan im Schilde führt. Kannst du mir vielleicht sagen, was er mit Mira getrieben hat?« Ich hielt ihm die Tür auf und zwang ihn, mir im Vorübergehen einen Moment in die Augen zu sehen. Der junge Mann warf mir einen unbehaglichen Blick zu, da er sich zwischen seinen beiden Herren hin- und hergerissen fühlte.
Wir gingen schweigend durch die kalte Morgenluft an der Häuserfront entlang. Noch waren keine Touristen unterwegs, und auch die meisten Geschäfte waren um diese Zeit noch geschlossen. Die Gegend am Flussufer gehörte uns ganz allein, abgesehen von ein paar Obdachlosen, die sich hier und dort in eine Wandnische drückten oder auf dem Bürgersteig schliefen.
»Sie haben oben in Schottland Naturi gejagt«, sagte James schließlich, als ich schon glaubte, er würde mir gar nicht mehr antworten. »Vor ein paar Wochen sollte ich kommen und sie abholen. Selbst war ich zwar nicht dabei, aber ich habe immerhin ihre Flüge gebucht. Sie sind nach Edinburgh, um Jagd auf einen Clan Erd-Naturi zu machen. Danach ist sie mit ins Hauptquartier gekommen. Sie hatte ein paar Meetings mit Ryan, aber auch mit mir. Sie hat mich in ein paar Sachen eingeweiht.« Er zögerte einen Moment und leckte sich die Lippen, während er seine Worte bedachte. »Sie hat mir einiges über Nachtwandler, Lykanthropen und die Naturi erzählt. Aber ich weiß nicht … ich weiß nicht genau, wie viel ich davon glauben soll.«
An einer Ecke blieben wir stehen. Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und spähte in die Seitenstraße, die zum Factors Walk führte. »Glaub ihr ruhig«, sagte ich widerstrebend. Mira sprach die Wahrheit einfach immer ungeschminkt aus. Wenn überhaupt, dann sah sie höchstens manchmal zu schwarz.
»Aber das heißt, dass der Großteil von dem, was ich gelernt habe, falsch ist«, sagte James. Die Enttäuschung verschlug ihm fast die Stimme. »Ich dachte, ich würde die Welt verstehen, und jetzt stellt sich heraus, dass ich ein völlig falsches Bild hatte. Ich kann einfach nicht glauben, dass es Ryan genauso geht, aber er hat die ganze Zeit über nichts getan, um unseren Irrtum aufzuklären. Wenn Themis jahrhundertelang das Falsche getan hat, kann ich nicht länger guten Gewissens dort bleiben. Das ergibt einfach keinen Sinn. Wir helfen niemandem mit dem, was wir tun. Wir setzen bloß noch mehr Lügen in die Welt.«
Ich blickte stirnrunzelnd auf den Fluss hinaus, der sich durch die Stadt hinunter zu den gewaltigen Werften wand, die nicht weit entfernt von hier lagen. Genau die gleichen Bedenken quälten mich in letzter Zeit auch. Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, Themis zu verlassen, aber jetzt, da ich hier mit James beisammenstand, wurde mir endgültig klar, dass meine Zeit im Bund vorbei war. Während meiner
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