Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
gemeinsamen Zeit mit Mira hatte ich bereits mehr gesehen und erlebt, als James je erahnen konnte, und wenn ich ganz ehrlich zu mir war, dann wusste ich auch, dass vieles von dem, das ich bei Themis gelernt hatte, einfach grundfalsch war und viele Menschen das Leben gekostet hatte, die den Tod keinesfalls verdient hatten.
»Aber wenn wir Themis verlassen, wo ist dann noch Platz für uns in dieser Welt?«, fragte ich.
James seufzte schwer und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, noch gibt es keinen Platz für uns.«
Diejenigen, die von der Existenz der anderen Völker auf der Welt wussten, kamen nur schwer irgendwo unter. Die alltägliche Welt, in der sich die meisten Menschen eingerichtet hatten, verblasste daneben zu einer grauen Illusion, die einen üblen Nachgeschmack hinterließ. Wenn wir nicht komplett den Verstand verlieren wollten, mussten wir irgendwie mit unseresgleichen in Kontakt bleiben. Nur so konnten wir nachts überhaupt noch ruhig schlafen, selbst wenn wir vielleicht ein Messer unter dem Kopfkissen versteckten.
»Noch nicht, aber nach dem Großen Erwachen wird die Welt uns wieder offenstehen«, meinte ich und ging den Hügel hinauf in Richtung Factors Walk.
»Aber jetzt, da ich Miras Gedanken zu diesem viel versprechenden Ereignis kenne, muss ich zugeben, dass sich meine Vorfreude ziemlich in Grenzen hält. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das gut geht, egal wann es so weit ist«, sagte James und folgte mir in einigen Schritten Abstand. »Ich meine, die Leute lassen sich einfach nicht gerne anlügen. Sie mögen es nicht, wenn man Geheimnisse vor ihnen hat.«
Auf dem Factors Walk blieb ich stehen und sah mich um. Wir waren nur einige Dutzend Schritte von der Wohnung entfernt, in der Abigail Bradford ermordet worden war. Die Gegend lag immer noch in tiefem Schatten, aber meine scharfen Augen sahen mit Leichtigkeit in die dunkelsten Ecken. Soweit ich es erkennen konnte, waren wir allein.
»Was machen wir hier eigentlich?«, erkundigte sich James schließlich, nachdem wir eine Weile schweigend herumgestanden hatten.
»Ich war gestern morgen schon mal hier, und da hat mich ein Mädchen davon abgehalten, diesen Weg zu nehmen«, antwortete ich und wandte mich langsam wieder der Seitenstraße zu, die Factors Walk und River Street miteinander verband. »Es hat sich fast so angehört, als hätte sie den Mörder gesehen.«
»Wirklich?«, fragte James skeptisch und schien zum ersten Mal, seit ich ihn abgeholt hatte, hellwach zu sein. Seine Bedenken hinsichtlich Ryan und Themis traten vorübergehend in den Hintergrund, als er sich in Gedanken wieder der vor uns liegenden Aufgabe zuwandte. »Wie heißt sie denn? Können wir uns noch mal mit ihr unterhalten? Hat sie dir den Täter irgendwie beschrieben?«
»Einen Namen habe ich nicht. Sie ist weggelaufen, bevor ich sie danach fragen konnte. Oder sonst irgendwelche Fragen stellen konnte.« Kopfschüttelnd trat ich den Rückweg zur River Street an. »Sie nannte den Factors Walk die dunkle Straße.«
»Das passt«, murmelte James an meiner Seite.
»Sie sagte, dass das Ding, das hinter dem Mord an dem Mädchen steckt, sich schon länger in der Gegend herumtreibt und dass es etwas Vergleichbares hier noch nie gegeben hat.«
»Aber … «, begann James, hielt dann jedoch plötzlich inne, als beunruhigte ihn der Gedanke so sehr, dass er nicht mehr weitergehen konnte. »Aber das klingt ja so, als wüsste sie über Nachtwandler und Gestaltwechsler Bescheid. Ob sie dann auch … von den anderen weiß?«, fragte er und senkte die Stimme zu einem Flüstern.
»Warum nicht? Du weißt doch auch Bescheid«, sagte ich und grinste ihn an, bis er sich endlich wieder in Bewegung setzte.
»Ja, aber wer ist sie?«
»Nur eine weitere heimatlose Seele. Davon gibt es in dieser Stadt wahrhaftig genug«, antwortete ich, und überquerte die Straße, um auf den Steg zu gelangen.
»Sie sah aus wie zwölf bis vierzehn. Braunes Haar. Braune Augen. Etwas über eins fünfzig groß. Schlank, mit einem abgewetzten Rucksack und schmutzigen Jeans.«
»Sind wir deshalb so früh unterwegs? Willst du dich nach ihr umsehen?«
Ich bog um eine Parkbank und betrat dann wieder den Fußweg, der neben der Kopfsteinpflasterstraße verlief. »Ja«, gab ich zu. »Letztes Mal hatte sie Angst vor mir. Ich dachte mir, wenn ich dich mitbringe, ist sie vielleicht gesprächiger.«
»Glaubst du, zwei fremde Männer sind besser als einer?«, fragte er ungläubig.
»Du siehst nicht besonders
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