Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
denke, du wirst dich hier genauso wohlfühlen wie bei deinem ersten Besuch«, sagte sie, ohne mich direkt anzusehen. Sie ließ den Blick durch den Raum wandern, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Alle Gemälde hier waren abstrakte Werke, die das Farbschema der Einrichtung aufnahmen. »Alles, was du durcheinanderbringst, musst du auch wieder in Ordnung bringen. Ich habe im Moment keine Putzkraft.«
»Ja, muss schwierig sein, jemanden zu finden, der die ganzen Blutflecken wieder rauskriegt«, murmelte ich in mich hinein.
Mira lachte leise. »Erste Vampirregel: Nie dort trinken, wo man schläft«, sagte sie leichthin. »Falls irgendwas dazwischenkommt und du deiner Beute nicht das Gedächtnis löschen kannst, würde sie deinen Unterschlupf kennen.«
»Du schläfst hier doch sowieso nie, hab ich recht?«, riet ich. Bei dieser Frage hörte Mira auf zu lächeln, und sie starrte mich ein paar Sekunden schweigend an. Nur das leise Brummen der Heizung, die warmes Wasser ins Haus pumpte, war zu hören.
»Nein«, gestand sie schließlich. »Ich schlafe nicht hier. Hab ich noch nie gemacht.« Mira ließ mich stehen und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Ich zog die Jacke aus und warf sie aufs Bett, bevor ich ihr folgte. Sie stand vor der großen Fensterfront, die auf den Platz mit den riesigen Lebenseichen hinausging. Die Äste waren so weit ausgestreckt, als wollten sie den ganzen Park umarmen. Die Straße war so gut wie ausgestorben, sodass die Ampeln von einer Farbe auf die andere sprangen, ohne dass ihnen jemand Beachtung schenkte.
Hinter dem Sofa blieb ich stehen und beobachtete Mira einen Moment. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Schulter gegen die Scheibe gelehnt. Ich konnte nur ihr Profil sehen, aber ihr Gesichtsausdruck verriet nicht die geringste Regung. In diesem Augenblick kam sie mir sehr menschlich vor. Nichts anderes war an ihr, nichts, das an die dunkle Bedrohung gemahnte, die sie darstellte. Einen Atemzug lang war sie einfach nur eine Frau, die von der Welt, in der sie lebte, überwältigt zu werden drohte.
In solchen Momenten, in denen ich gnädigerweise alles vergaß, hasste ich sie am meisten. Es war mir zuwider, dass sie mich so einlullen konnte, dass sie mir beinahe leidtat. In diesen stummen, schwachen Momenten sah ich all meine Hoffnungen schwinden, meine Seele jemals retten zu können.
»Hast du immer schon so gelebt?«, fragte ich abrupt und versuchte, mich vom Spiel des Lampenscheins auf ihrer Wange loszureißen, das ihre ausdrucksstarken Wangenknochen so gut zur Geltung brachte. Sie hob langsam den Blick. Sie gab sich betont ungerührt, und die Besorgnis, die ich an ihr bemerkt hatte, trat in den Hintergrund, so als schlösse sie vor einem heraufziehenden Sturm die Fensterläden.
»Wie denn?«
»Na, so eben«, wiederholte ich und breitete in einer Geste, die das ganze Haus einschloss, die Arme aus. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn man arm ist?«
Überrascht verzog Mira den Mund zu einem schiefen Grinsen. Sie löste sich vom Fenster und drehte sich zu mir um, während sie die Hände in die Hosentaschen schob. »Ich wurde in einem Haus mit zwei Zimmern geboren. Durch das Strohdach hat es reingeregnet. Im Sommer habe ich mit dem Pferd und dem Schaf im Stall geschlafen, im Winter auf dem Boden vor der Feuerstelle oder mit meinen Eltern in einem Bett. Ich hätte nie gedacht, dass ich es mal besser haben würde.«
»Aber … «, bohrte ich weiter. Als ich mich vorbeugte, versanken meine Hände in der Sofalehne. Das kühle Leder quietschte und knarrte in der Stille.
»Sadira stand auf Luxus.« Sie zuckte die Achseln. Es kam nur selten vor, dass sie ihre Erzeugerin ohne tief empfundenen Hass erwähnte. »Und dann gewöhnt man sich eben daran. Wie steht es denn mit dir? Warst du schon immer ein wandernder Söldner?«
Mit gerunzelter Stirn senkte ich den Blick aufs Sofa vor mir. Mein Leben hatte am anderen Ende der Einkommensskala begonnen. Als einziges Kind eines erfolgreichen Politikers hatte ich mit meiner Mutter ein luxuriöses Anwesen ein paar Tagesritte von Rom entfernt bewohnt. Es fehlte mir an nichts, bis ich in die Armee eintrat, und selbst dann hatte ich nie wirklich ein hartes Leben gehabt. Erst als ich den Dienst quittierte und anfing, ein Leben auf Wanderschaft zu führen, verschlechterte sich meine Situation drastisch. Jetzt bekam ich nur noch das zu essen, was ich selbst erjagte, und Geld kam nur noch durch Gelegenheitsarbeiten herein. Ich
Weitere Kostenlose Bücher