Jägerin des Herzens
besitze, mein Heim, meine Ehe, meine gesellschaftliche Stellung, weil er den Ehrgeiz hat zur beau monde zu gehören.« Lily verbarg ihre Befriedigung, als sie Knox’ Erstaunen sah.
»Das kann ich kaum glauben«, brachte er hervor.
»Es stimmt aber.« Sie hob ein Spitzentaschentuch ans Auge und tat so, als müsse sie sich eine Träne abtupfen. »Er ist gestern Abend auf Lady Lyons Geburtstagsfest zu mir gekommen, aufgetakelt wie ein zerrupfter Pfau, und das vor Hunderten von Leuten! Er verlangte, ich solle ihn vorstellen und für ihn bürgen, damit er in den vornehmen Kreisen aufgenommen würde. Oh, Mr. Knox, Ihr hättet das schreckliche Schauspiel miterleben müssen!«
»Der Narr!«, stieß er wütend hervor. Er überlegte anscheinend nicht, wie befremdlich diese plötzliche Wut auf sie wirken musste.
»Ein paar Leute sahen ihn, darunter Lord Lyon und mein Gatte. Als es mir gelang, ihn in eine abgelegene Ecke zu ziehen, enthüllte er seine bizarren Vorstellungen. Er sagte, er würde mir meine Tochter bald zurückgeben, aber zuerst solle ich meinen Einfluss gelten machen, um ihm eine gesellschaftlich bedeutende Stellung zu verschaffen.
Allein die Vorstellung ist unerträglich! In Italien ist er ein gesuchter Verbrecher! Könntet Ihr Euch etwa vorstellen, dass man ihn hier wohlwollend aufnähme?«
»Er ist nichts weiter als Abschaum«, sagte Knox grimmig. »Und jetzt scheint er nicht nur wertlos, sondern auch unberechenbar.«
»Genau, Mr. Knox. Und unberechenbare Männer neigen dazu, sich selbst – und ihre Pläne – durch dumme Fehler zu verraten. Ist das nicht so?«
»Ihr habt Recht«, erwiderte er. Auf einmal wirkte er unnatürlich ruhig. »Wahrscheinlich wird er ein Opfer seiner eigenen Gier werden.«
Die Kälte in seinem Blick erschreckte sie. Sein ernstes Gesicht hatte einen verschlagenen Ausdruck angenommen.
Zweifellos, dachte Lily, hatte er vor, Giuseppes gefährlichem Verhalten ein Ende zu setzen. Wenn Knox wirklich etwas mit Giuseppe und einer Verbrecherbande zu tun hatte, so war sein Schicksal auch mit ihnen verbunden, und er konnte es sich nicht leisten, dass einer plauderte.
Lily beugte sich vor und berührte ihn am Arm. »Ich bete, dass Ihr meine Nicole findet«, sagte sie leise. »Mr. Knox, ich kann Euch eine beachtliche Belohnung versprechen, wenn Ihr erfolgreich seid.« Sie betonte das Wort beachtlich und merkte, dass ihm das nicht entging.
»Dieses Mal werde ich Euch nicht enttäuschen«, sagte Knox mit fester Stimme. »Ich werde gleich heute Morgen mit meinen Nachforschungen beginnen, Lady Raiford.«
»Bitte, seid diskret wenn Ihr mich über Eure Nachforschungen auf dem Laufenden haltet. Mein Gatte … die Notwendigkeit alles geheim zu halten …«
»Natürlich.« Knox setzte seinen Hut auf, verabschiedete sich von ihr und stieg aus der Kutsche. Durch sein Gewicht schwankte das Gefährt leicht. Er ging davon mit den raschen Schritten eines Mannes, der ein Ziel vor Augen hat.
Lilys freundlicher Gesichtsausdruck verschwand, sobald er ausgestiegen war. Mit kalten, dunklen Augen blickte sie ihm durch das Kutschenfenster nach. »Fahr zur Hölle, du Bastard«, flüsterte sie. »Und nimm Giuseppe mit!«
Nachdem sie Alex und Sir Nathan über die Einzelheiten ihres Treffens mit Knox berichtet hatte, konnten sie nur noch warten. Henry war mit seinem Lehrer ins Britische Museum gegangen, um griechische Vasen und Altertümer zu studieren. Obwohl keiner der Dienstboten wusste, was los war, war ihre Stimmung gedämpft, weil sie die Spannung im Haus spürten. Lily sehnte sich nach einem Ausritt, aber sie hatte Angst das Haus zu verlassen, falls in der Zwischenzeit etwas passierte.
Um sich zu beschäftigen, versuchte sie zu sticken, aber sie stach sich dauernd in die Finger, so dass das Taschentuch, welches sie bestickte, voller Blutflecken war. Sie konnte gar nicht begreifen, warum Alex so ruhig bleiben konnte. Er widmete sich in der Bibliothek seinen Dokumenten, als sei es ein ganz gewöhnlicher Tag.
Sie trank zahllose Tassen Tee, lief hin und her, las und mischte Karten in einem Rhythmus, der ihr zur zweiten Natur geworden war. Beim Abendessen gelang es ihr nur, ein paar Bissen herunterzubekommen, weil Alex sie dazu drängte und spöttisch bemerkte, wenn sie verhungere, sei sie niemandem mehr von Nutzen.
Da sie nicht in ihrem Zimmer allein sein wollte, setzte sie sich im Salon auf eines der Sofas, und Alex las ihr laut aus einem Gedichtband vor. Lily hatte das Gefühl, dass er
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