Jägerin des Herzens
fünftausend Pfund richten, die sie bis morgen Abend haben musste. Heute Abend wurde bei Craven’ s um hohe Einsätze gespielt. Wenn sie das Geld dort nicht gewann, würde sie ihren ganzen Schmuck versetzen und vielleicht auch ein paar ihrer Kleider. Eigentlich müsste sie in der Lage sein, genügend Geld zusammenzukratzen.
»… Könnt Ihr mir nicht wenigstens ein kleines bisschen über ihn erzählen?«, bettelte Monique. »Ich will ja nicht in Euch drängen, cherie aber was ist denn mit der Verlobung zwischen Wolverton und Eurer Schwester? Gilt sie denn immer noch?«
Lily ignorierte die Frage und lächelte. »Monique, genug über dieses Thema. Ich bin gekommen, um Euch um einen Gefallen zu bitten.«
»Alles, was Ihr wollt«, erwiderte Monique, sofort abgelenkt. »Einfach alles.«
»Heute Abend findet bei Craven’ s ein Maskenball statt. Es ist sehr wichtig, dass ich etwas ganz Besonderes trage.
Ich weiß, dass wir keine Zeit mehr haben, Ihr müsst bestimmt auch noch an anderen Dingen arbeiten, aber vielleicht könntet Ihr mir etwas zusammenschneidern …«
»Oui, oui, ich habe verstanden«, sagte Monique mit Nachdruck. »Es handelt sich um einen Notfall – Euer erstes öffentliches Auftreten nach le scandale. Alle Blicke werden heute Abend nur auf Euch gerichtet sein. Ihr müsst etwas ganz Außergewöhnliches tragen.«
»Ich muss es leider auf Kredit kaufen«, erwiderte Lily unbehaglich und schlug die Augen nieder.
»Wie Ihr wollt«, kam die sofortige Antwort. »Da Ihr nun Lord Raifords Reichtum zur Verfügung habt könntet Ihr leicht die halbe Stadt kaufen!«
Lily zuckte mit den Schultern und lächelte verlegen. Sie erzählte Monique besser nicht dass sie keineswegs vorhatte, Lord Raifords ausgehaltene Maitresse zu werden und dass ihr keineswegs ein Vermögen zur Verfügung stand. »Ich möchte heute Abend auf dem Ball das gewagteste Kostüm tragen«, sagte sie. »Wenn ich das schon ausbaden muss, dann wenigstens mit Stil.« Ihr blieb gar nichts anderes übrig, als sich schamlos zur Schau zu stellen. Und außerdem wollte sie ein Kostüm haben, das die Männer so ablenkte, dass sie sich nicht auf ihre Karten konzentrieren konnten. »Was seid Ihr doch für ein kluges Mädchen. Bien, wir werden Euch ein Kostüm anfertigen, bei dessen Anblick die Stadt in Ohnmacht fällt.« Monique betrachtete sie prüfend. »Vielleicht … es ginge sehr gut wenn … ah, ja …«
»Was?«
Monique lächelte sie erfreut an. »Wir werden Euch als die erste Verführerin verkleiden.«
»Delilah?«, fragte Lily. »Oder meint Ihr Salome?« »Non, ma petite … Ich meine die erste Frau, Eva.« »Eva?«
»Bien sur, alle werden noch jahrzehntelang davon reden!«
»Nun«, entgegnete Lily lahm, »es sollte nicht allzu lange dauern, dieses Kostüm zu schneidern.«
Alex fuhr zu Swan’ s Court an der Bayswater Road, einem Besitz, der der Familie gehörte, seitdem sein Urgroßvater William ihn gekauft hatte. Das Haus war in klassischem Stil erbaut mit symmetrischen Flügeln, griechischen Säulen und kühlen, großen Marmorhallen mit weißen Stuckdecken. Es gab einen großen Stallhof und eine Remise, in der leicht fünfzehn Kutschen untergebracht werden konnten. Obwohl sich Alex selten hier aufhielt hatte er zahlreiche Dienstboten eingestellt die sich um das Haus kümmern und für die Bequemlichkeit der gelegentlichen Gäste sorgen sollten.
Mrs. Hodges, die alte Haushälterin, öffnete ihm die Tür. Auf ihrem freundlichen, von schneeweißen Löckchen umrahmten Gesicht zeichnete sich bei seinem Anblick Überraschung ab. Eilig führte sie ihn hinein.
»Mylord, wir wussten gar nicht dass Ihr kommt sonst hätte ich bestimmt …«
»Es ist schon in Ordnung«, unterbrach Alex sie. »Ich konnte Euch leider vorher nicht benachrichtigen, aber ich bleibe die ganze Woche. Vielleicht sogar länger, ich weiß noch nicht genau.«
»Ja, Mylord. Ich sage es der Köchin – sie wird die Vorräte auffüllen wollen. Soll ich Euch Frühstück bringen lassen, Mylord, oder soll sie direkt zum Markt gehen?«
»Kein Frühstück«, erwiderte Alex lächelnd. »Ich sehe mich ein wenig im Haus um, Mrs. Hodges.«
»Ja, Mylord.«
Alex bezweifelte, dass er die nächste Zeit Hunger haben würde. Bevor er Cravens Wohnung verlassen hatte, hatte ein Hausmädchen ein Tablett hinaufgebracht das mit Eiern, Brot Pudding, Schinken, Würstchen und Obst beladen gewesen war. Ein Mann, der sich ihm als Cravens persönlicher Kammerdiener vorgestellt hatte,
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