Jägerin des Herzens
geht dir also gut.«
Rasch drehte sie sich um. Derek war als Bacchus verkleidet, der Gott der Ausschweifung. Er trug eine weiße Toga und Sandalen, und um den Kopf hatte er einen Kranz aus Weinranken und Blättern gewunden.
Er musterte sie prüfend, und zu ihrem Entsetzen spürte Lily, wie sie unter der Maske rot wurde. »Natürlich geht es mir gut«, erwiderte sie. »Warum nicht?« Sie lächelte kühl. »Entschuldige mich, ich bin auf der Suche nach einem Spiel. Ich muss heute Abend fünftausend Pfund gewinnen.«
»Warte.« Er berührte sie an der Schulter und sah sie auf seine alte, freundliche Art an. »Komm, lass uns ein bisschen spazieren gehen.«
Sie lachte ungläubig auf. »Erwartest du von mir, dass ich unsere Freundschaft einfach so wieder aufnehme?«
»Warum nicht?«
Geduldig, als erkläre sie einem störrischen Kind einen Sachverhalt, sagte Lily: »Weil ich gestern Abend aus schierer Verzweiflung in einem Kartenspiel meinen Körper eingesetzt habe. Und du hast es nicht nur zugelassen, sondern du hast die ganze Sache auch noch betrieben und sie zur Unterhaltung der Mitglieder deines Clubs benutzt.
So verhält sich kein Freund, Derek.«
Er schnaubte. »Wenn du ein bisschen Spaß mit jemandem haben willst dann kümmer mich das nicht die Bohne. Ich schlafe die ganze Zeit mit anderen Frauen zwischen dir und mir ändert das doch nichts.«
»Gestern Abend war etwas anderes«, erwiderte Lily ruhig. »Ich habe dich gebeten einzugreifen. Ich wollte, dass du die Sache verhinderst. Aber dich hat es gar nicht interessiert. Du hast mich verschenkt, Derek.«
Hinter seiner ruhigen, beherrschten Fassade war er aufgewühlt. Plötzlich war ein unbehagliches Glänzen in seinen Augen, und in seiner Wange zuckte es verräterisch. »Es interessiert mich schon«, sagte er. »Aber du bist nie für mich in Frage gekommen. Was in einem Bett geschieht – das hat mit uns nichts zu tun.«
»Was immer ich tue, geht dich nichts an. Denkst du das?«
»Das stimmt«, murmelte er. »Es muss so sein.«
»Oh, Derek«, flüsterte Lily und sah ihn auf einmal so, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Sie begann Dinge zu verstehen, die sie zwei Jahre lang verwirrt hatten. Derek wusste seit langem von ihrem verzweifelten Kampf um Geld, und doch hatte er ihr nie seine Hilfe angeboten, obwohl es ihm leichtgefallen wäre. Die ganze Zeit über hatte sie geglaubt, er sei einfach nur schrecklich gierig. Aber es war keine Gier, sondern Angst. Er zog eine oberflächliche Freundschaft einer wirklichen Beziehung vor. Seine elende Jugend hatte sein Herz auf schreckliche Weise verkrüppelt.
»Du lässt uns alle tun, was wir wollen, nicht wahr?«, fragte sie leise.
»Du willst dich nur zurücklehnen und uns beobachten, als seist du in einem endlosen Puppentheater. Das ist so viel sicherer, als selbst beteiligt zu sein. Viel sicherer, als Risiken einzugehen und Verantwortung zu übernehmen. Wie unritterlich von dir.«
Sie gebrauchte absichtlich Wörter, die er nicht verstand, weil sie wusste, dass er das hasste. »Nun, ich werde dich nie wieder um Hilfe bitten. Ich brauche sie nicht mehr. Es ist seltsam, aber seit gestern Abend komme ich mir so vor, als hätte ich all meine … Skrupel abgelegt.« Vorsichtig schlüpfte sie aus ihrem Umhang und lächelte, als sie seine Reaktion sah.
Die Gäste, die gerade die Eingangshalle betraten, blieben stehen und starrten sie staunend an.
Auf den ersten Blick wirkte Lilys Kostüm, als sei sie nackt. Monique hatte ein Kleid aus durchsichtiger, fleischfarbener Gaze geschneidert das lose an ihr herabfloss. Kunstvoll hatte sie große, grüne Samtblätter hinzugefügt, die in Wirklichkeit einen Großteil ihres Körpers verhüllten. Die grünen Samtflecken und auch die langen schwarzen Haare verhüllten einiges. Trotzdem gab es an einigen Stellen verführerische Einblicke auf die bloße Haut unter dem durchsichtigen Stoff, und die Umrisse ihres schlanken Körpers waren deutlich zu erkennen.
Am verblüffendsten jedoch wirkte die Schlange, die auf ihren Körper gemalt war und sich bis zu ihrer Schulter empor ringelte. Eine Freundin von Monique, eine Künstlerin, hatte drei Stunden gebraucht, um sie zu malen.
Spöttisch lächelnd hob Lily den glänzenden roten Apfel, den sie in der Hand hielt und hielt ihn Derek unter die Nase. »Möchtest du beißen?«, fragte sie seidig.
Kapitel 9
Nach anfänglichem Erstaunen wurde Dereks Gesicht sofort wieder ausdruckslos. Aber Lily wusste genau, dass er sie am liebsten
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