Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
Nicht zu wissen, wie dieses Katzenvolk dachte, nicht zu wissen, wer etwas zu sagen hatte, an wen man sich wenden konnte, wer einem überhaupt Gehör schenken würde. Sie konnten ihn hier verrotten lassen.
Finn hatte sich zusammengerollt und haderte mit seinem Schicksal. Sie hatten ihn gegen seinen Willen hergeschleppt, sie hatten ihn schutzlos in einer fremden Haut und einer fremden Welt alleine gelassen. Sie hatten sich nicht mal angehört, warum er den Ring haben wollte. Er hatte doch keinem etwas zu Leide getan. Außer diesem blöden Waschbären. Die Pfeife hatte ihn prompt verraten.
Die Sonne ging auf, und die Sonne ging wieder unter. Die Wächter vor dem engen Eingang wechselten, einer hatte ihm einen toten Fisch zugeworfen. Der roch schon recht reif, aber Hunger und Durst ließen Finn den Ekel überwinden. Dann ging die Sonne wieder auf und irgendetwas hatte sich verändert.
Vor dem Eingang saß kein Wächter mehr.
Finn blinzelte in den grauen Tag. Nebel lag über dem Land und Feuchtigkeit tropfte von den Blättern. Vorsichtig machte er einen Schritt nach draußen. Niemand hielt ihn auf. Da er unsäglich durstig war, leckte er erst einmal das Nass vom Laub, dann streckte und reckte er sich.
Und jetzt?
Mit einem Plumps landete ein weiterer Fisch vor seinen Pfoten. Sehr frisch. Er zappelte noch. Mit einem weiteren Plumps landete Che-Nupet daneben.
»Oh Mann, du?«
Noch nie war Finn so froh gewesen, eine dicke Katze zu sehen.
»Ja, ich. Friss frischen Fisch, Finn! Finn frischt fischen Fiss! Fissen Frisch finnt Fisch!«
»Äh?«
»Muss man üben. Friss frischen Finn, Fisch!«
Er fraß.
Sie saß daneben und plapperte Zungenbrecher vor sich hin.
Wirklich ein bisschen abgedreht, aber er war dennoch froh, dass sie zurückgekommen war. Wie auch immer, vielleicht konnte sie ihm helfen.
»Danke, Che-Nupet. Das war sehr freundlich von dir.«
»Putz dich, riechst du nicht gut, ne.«
Das hatte er auch schon bemerkt. Und während er zu bürsten begann, fing sie an, wie beiläufig zu erzählen: »Diese Waschbären – die sind schon komisch. Kamen irgendwie her, ne, ohne Ring, ohne Plan, ohne alles. Muss so zehn Jahre her sein. Haben irgendwie durch die Grauen Wälder gefunden. Kleine Gruppe, sechs oder sieben. Wurde die Übergangsstelle in den Rock Mountains gesperrt. Wollten manche sie jagen, aber dann hat wer gemerkt, dass sie Worte verstehen. Und Hände haben, ne? Kriegten sie ein kleines Revier im Osten vom Halbmondplateau. Ist karstig da und höhlig. Nett zum Wohnen. Aber sind sie zufrieden damit? Nein! Leben nicht zusammen, streunen lieber einzeln herum. Ein paar haben den Menscheln was abgeguckt. Gibt ein paar Katzen, die halten sie als Diener, ne? Ist aber nicht sehr vornehm.«
Finn hörte auf, seine Brust zu bearbeiten, und fragte leicht verunsichert: »Und warum erzählst du mir das alles?«
»Damit du verstehst. War dumm, Waschbären zu benutzen.«
»Versteh ich aber nicht.«
»Doch, verstehst du. Waschbären machen Tricks. Denken nur an ihren Vorteil.«
Das allerdings war ihm inzwischen auch klar geworden.
»Ich zieh diesem Anoki das Fell ab, wenn ich ihn wiedertreffe«, grollte er.
»Nein, nicht. Haben wir eine Vereinbarung. Wir tun ihnen nichts. So, wie wir auch den Menscheln nichts tun, ne?«
»Aber er hat mich verraten.«
»Eben. Weißt du jetzt, du kannst ihnen nicht trauen, ne?«
Diese verdrehte Logik leuchtete Finn zwar nicht besonders ein, aber er ließ es darauf beruhen. Es gab Wichtigeres in Erfahrung zu bringen.
»Bin ich jetzt wieder frei, Che-Nupet?«
»Weiß nicht.«
»Ja, aber …«
»Weiß nur der Weise. Triffst du heute bei Sonnenuntergang.«
Finn sah zu dem dicht bewölkten Himmel auf.
»Das ist noch einige Zeit hin.«
Che-Nupet linste auch nach oben.
»Ja? Weiß nicht.«
»Was weißt du überhaupt?«
Sie kicherte.
»Ooch, vergess ich die Zeit oft, ne? Ist nicht so wichtig, ne? Zockel ich immer so vor mich hin. Merke ich mir das nicht so, welche Tageszeit ist.« Sie putzte ihren Brustlatz mit Hingabe, hörte plötzlich auf, setzte sich aufrecht hin und starrte mit glasigem Blick über die Landschaft. Dabei hing ihr die Zungenspitze aus dem Maul. Es sah ungeheuer belämmert aus, fand Finn. Eine Weile wartete er, und als sie sich noch immer nicht rührte, fragte er: »Äh – lüftest du jetzt deine Zunge?«
Schlupps.
Sie war verschwunden.
»Nö, passiert mir nur, wenn ich nachdenken muss.«
Nachdenken schien diesem unsäglichen Geschöpf wohl
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