Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
wieder zum Zittern.
»Ist gut, Tija. Übermorgen bringen wir dich zurück. Ich gehe mit, Sem und ich werden dich tragen.«
Erleichtert schloss die junge Frau die Augen.
»Auf drei Beinen wird’s gehen.«
»Ja, daran wirst du dich gewöhnen. Ich sage Ronya, dass sie die Tücher zusammenpacken soll.«
»Und die Leberwurst für Majestät nicht vergessen.«
»Leberwurst, ah so.«
»Ich mag die auch.«
»Dann sollst du auch welche bekommen. So, jetzt erzähl mir mal, wie der Ablauf sich hier so gestaltet. Wann könnten wir dich, ohne großes Aufsehen zu erregen, in einen Rollstuhl setzen und dich aus dem Zimmer bringen?«
Tija zählte die Krankenhausroutinen auf, und anschließend stromerte Feli eine Stunde lang durch die Gänge. Nicht nur Pfleger und Schwestern in weißer Kleidung gingen ihren Pflichten nach, auch die ehrenamtlichen Damen in ihren grünen Kitteln begleiteten Patienten zur Cafeteria oder schoben Rollstühle durch die Gänge. Sie fragte einige von ihnen unbekümmert danach, wo sie die Rollstühle herbekamen, kundschaftete Aufzüge und Ausgänge aus und hatte sich schließlich einen recht guten Plan zurechtgelegt.
30. Kopfschmerzen
Tanguys Laune war auf dem absoluten Gefrierpunkt angekommen. Aus gleich mehreren Gründen. Er lehnte den Kopf im Sitz zurück und betrachtete seinen Onkel, der neben ihm im Flugzeug saß. Ihr Aufbruch war seiner Meinung nach in viel zu überstürzter Hektik geschehen. Eigentlich hatte er ihn weiter verzögern wollen, aber dann hatte Nathan ihm gestern die Tickets hingeworfen und ihm barsch befohlen, seine Sachen zu packen.
Er wollte nicht nach Deutschland, wollte nicht wie ein unmündiger Junge gepackt und aus seiner Heimat weggezerrt werden. Er nahm es seinem Onkel übel, ihm und auch seinen Eltern. Schließlich war er ein Mann von einundzwanzig Jahren und konnte selbst über sein Leben bestimmen.
Die Vibrationen des Flugzeugs verstärkten seine allgegenwärtigen Kopfschmerzen, doch er traute sich nicht, die Augen zu schließen. In der Dunkelheit hinter seinen Lidern lauerte die Angst.
Nathan war in ein Fachmagazin vertieft und beachtete ihn nicht. Aber eine Unterhaltung mit ihm wollte er sowieso nicht beginnen. Es würde wieder nur auf einen Streit hinauslaufen.
Mit einigen Griffen massierte Tanguy sein Genick, von wo aus die Schmerzen ausstrahlten. Ein Stöhnen unterdrückte er. Sicher, er hatte Medikamente dagegen, aber er hasste es, sie einzunehmen. Irgendwann würde das Stechen vielleicht von selbst verschwinden. Sein Vater hatte behauptet, dass Nathan ihm helfen könnte. Aber auch dagegen hatte er sich gewehrt. Schamanischen Hokuspokus lehnte er ab. Es gab keine Welt der Geister, es gab kein Totemtier, das ihn aus dem Tal der Qual führen konnte. Sicher, in seinen Adern floss indianisches Blut, und früher war er stolz darauf gewesen. Er hatte schon als kleiner Junge bei seinem Stamm das Leben in der Natur kennengelernt, hatte Wildhüter begleitet, Fährten lesen gelernt und die Tiere beobachtet. Aber mit den Traditionen hatte er gebrochen. Er wollte sein Leben mit greifbaren, erklärbaren Dingen verbringen und hatte bereits ein Semester Ingenieurwissenschaften studiert, als das Unglück passierte. Beinahe ein Jahr war es her, die körperlichen Wunden waren verheilt, nur die Schmerzen waren geblieben. Und die Angst.
Er konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren, litt unter Schlaflosigkeit und versuchte, durch hartes körperliches Training wieder in sein normales Leben zurückzufinden. Doch wollte es ihm nicht gelingen. Er hatte Anfälle völliger Antriebslosigkeit, und vor zwei Monaten schließlich hatten seine Eltern Nathan um Hilfe gebeten. Nathan war einst mit der Schwester von Tanguys Vater verheiratet gewesen, doch sie war schon vor Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Sein Onkel war daraufhin nach Deutschland zurückgekehrt, er hatte ihn seit Jahren nicht mehr getroffen.
Tanguy sah aus dem Fenster an seinem Sitz. Unter dem strahlend blauen Himmel bauschten sich Wolken, weiß leuchtend reflektierten sie die Sonne. Das Licht blendete ihn, und er wandte den Blick ab. Vielleicht hatten sie ja doch recht. Vielleicht konnte er dem, was ihn belastete, entfliehen. In einer neuen Umgebung mit neuen Herausforderungen. Er war ehrlich genug zu erkennen, dass seine Angehörigen sich um ihn sorgten und alles versuchten, ihm zu helfen. Mit seinen Eltern war er immer gut ausgekommen, seine Mutter liebte ihn auf eine herzliche und heitere Art, sein Vater
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