Jagablut
erschossen wurde, hat die Polizei natürlich in Richtung Mord
ermittelt.«
Für dich ist die Kugel schon gegossen . Das waren
Hansis Worte.
»Na, jedenfalls hat Steiner den Raudaschl Sepp bei der berühmten
Wildererschlacht getötet«, sagte Viktor.
Deswegen hatte Steiner vor Gericht also so eisern geschwiegen. Seinen
eigenen Kragen wollte er retten und nicht etwa seine Kameraden. Sein gutes
Ansehen im Ort war danach in Stein gemeißelt. »Steiner ist damals im Zweifel
freigesprochen worden, und die Tatwaffe …« Ich konnte nicht
weitersprechen. Ich wusste, wo die verschwundene Waffe all die Jahre versteckt
gewesen war.
»Die hast erst du gestern gefunden.« Viktors Lachen klang bitter. »Tja,
nur Steiner und seine beiden Freunde wussten, wer den Jäger auf dem Gewissen
hatte. Munz und Schorsch. Aber Munz war selbst schwer verletzt. Der wäre allein
nicht mehr ins Tal gekommen. Und dort hätte er einen Arzt gebraucht und eine
Aussage machen müssen.«
Simon Munz hatte einen Steckschuss im Rückgrat gehabt. Hatte er
begriffen, dass er seine Beine nie wieder würde bewegen können? Oder hatte er
nur vor Schmerzen gebrüllt und seine Kumpane um den letzten Rest an Verstand
gebracht? »Und da hat Kaml seinen Freund einfach abgeknallt?«
Der Schneesturm trieb weiße Flocken fast waagerecht hinter den
Fensterscheiben vorbei. Die Holzläden quietschten in ihren Scharnieren.
»Nein. So war’s nicht.« Viktor seufzte. »Steiner hatte schon den Jäger
erschossen. Dafür wäre er lebenslänglich hinter Gitter gewandert.« Er
schluckte. »Und da hat er eben Schorsch gezwungen, Munz mit dem eigenen Gewehr …
Ein aufgesetzter Schuss, damit es wie Selbstmord aussah. Zur Absicherung
sozusagen.«
Und der Gladiator hatte seinem Herrn gehorcht. Kein Wunder, dass Steiner
ihm blind vertraute. Mir war übel. »Wie – zur Absicherung?«
»Na, ja.« Viktor schloss die Augen. »Die beiden haben gegenseitig ein
Geständnis unterzeichnet. Und waren sich damit für den Rest ihres Lebens
ausgeliefert.«
»Aber es hat doch Zeugen gegeben«, wandte ich ein. »Die Stallners waren
schließlich auch auf der Alm.«
»Die haben den Schuss gehört, aber wohl nicht mitbekommen, wer der
Schütze war. Schorsch sagt, Johannes hätte gehört, wie Steiner ihm den …
Mord befohlen hat.«
»Und wieso sind die Stallners dann ausgerechnet in den Jagawirt gezogen?«
Tür an Tür mit einem Mörder zu leben, war eine eigenartige Entscheidung. Noch
dazu, wo sie es anscheinend nicht nötig hatten. »Ich habe gehört, Frau Stallner
hätte eine Erbschaft gemacht.«
Viktor starrte mich an. »Blödsinn.«
»Doch, diese Roswitha im Heimatmuseum hat mir erzählt …«
Viktor winkte ab. »Den Dorfklatsch kenne ich auch. Da ist nix dran, glaub
mir. Steiner hat den beiden ein Wohnrecht eingeräumt. Sozusagen als
Schweigegeld.« Er zuckte die Schultern. »Behauptet zumindest Schorsch.«
Die Stallners hatten also die Legende von der Millionenerbschaft
verbreitet, um zu erklären, weshalb sie sich ein Leben im Gasthof leisten
konnten. Und Jacqueline Seywald hatten sie erzählt, ihr Vater schulde ihnen
Geld. Dabei hatte Vinzenz Steiner den armen Leuten nur ein Dach über dem Kopf
gegeben und sie ansonsten vor die Hunde gehen lassen. Johannes war dabei, sich
zu Tode zu trinken, und seine Mutter, gezeichnet von einem harten Arbeitsleben,
war schwer krank. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis diese beiden Zeugen
verschwunden waren. Steiners einzige Bedrohung war sein schriftliches
Geständnis in Kamls Händen gewesen.
»Seit seinem Unfall konnte Schorsch nicht mehr als Holzknecht arbeiten«,
fuhr Viktor fort. »Da hat ihm Steiner den Job als Hausmeister verschafft. Ja …
und eines Tages bemerkt nun Schorsch, dass Steiners Geständnis weg ist.«
Das sah Steiner ähnlich. Sicher hatte er es in der Sekunde zerrissen, in
der er es in Händen hielt. Der Doppelmörder hatte sich in Sicherheit gewähnt.
»Aber Steiner hatte Kamls Geständnis noch«, sagte ich. »Und deswegen musste
er sterben.«
Viktor nickte. »Der Schorsch hat abgewartet, bis Steiner zu seinem groß
angekündigten Jagdausflug aufbricht. Frühmorgens, da ist noch keiner auf. Er
ist sofort in die Wohnung, kaum dass Steiner zur Tür raus war.« Natürlich, der
Wirt hatte ihm ja seinen Schlüssel anvertraut. »Aber Steiner hat sein
Jagdmesser auf der Truhe im Vorraum liegen lassen. Also ist er noch mal
zurück.«
»Und überrascht Georg Kaml bei seiner Suche.«
»Schorsch schnappt sich
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