Jagd auf Jesse James
von sich. Eingezwängt in einen Pulk aus Leibern, stolperte er zum rettenden Ausgang. Die Flügel der Pendeltür rissen aus den Angeln, und wie auf einer Stampede stampften Dutzende Beine über das Sperrholz hinweg.
Irgendwo läutete eine Glocke Sturm.
An Lassiters Seite stolperte ein anderer Mann ins Freie. Es war einer der Spieler, die mit Bashan am Tisch gepokert hatten. Auf schweren Beinen tappte er zum Geländer, riss seinen Hemdkragen auf und schnappte gierig nach Luft.
»Wo ist Bashan?«, brüllte Lassiter.
Der Mann sah auf.
»Der Kerl, mit dem Sie gepokert haben, wo ist er?«
»Hintertür«, stöhnte der Mann.
Wie vom wilden Affen gebissen, jagte Lassiter um das Haus herum. Auf dem Hinterhof traf er auf eine Gruppe Männer, die beratschlagten, wie sie den Brand löschen konnten.
Lassiter erkannte den Barkeeper. »Wo ist Bashan?«, fuhr er ihn an.
»Hab’ jetzt andere Sorgen, Mister!« Der Mann lachte hysterisch auf. »Mein gottverdammter Saloon brennt!«
Lassiter orientierte sich kurz. Aus der Hintertür schlugen Flammen. Auf dem Hof ballte sich eine schwarze Qualmwolke. Eine Fensterscheibe zerplatzte mit lautem Knall. Glassplitter spritzten wie Geschosse umher. Ein Mann mit Yankeebart griff sich ins Gesicht, das mit Scherben gespickt war.
»Lassiter!«
Er fuhr herum und erkannte den Marshal. Pratt lag mit dem Rücken gegen die Holzmiete gelehnt, unter der man die Leiche von Laura Lovitt gefunden hatte. Das Blut floss aus ihm heraus wie aus einer lecken Badewanne.
»Bashan«, stöhnte er. »M averick Inn .« Sein Kopf fiel auf die Brust.
Lassiter zögerte. Er konnte den schwer verletzten Marshal nicht sich selbst überlassen. Der Mann verblutete sonst. Lassiter kniete sich neben Pratt.
In diesem Augenblick tauchte ein kleiner Mann mit einem Hebammenkoffer auf.
»Beiseite!«, schrie er und riss die Klappe der Tasche auf.
»Sie schickt der Himmel, Doc«, stöhnte Pratt.
Lassiter schnellte in die Höhe und hetzte um das Haus herum auf die Straße. In halsbrecherischem Tempo raste der Wagen der Feuerwehr heran. Neben ihm rannten Männer mit Eimern und Schaufeln. Aus den umliegenden Häusern stürzten Leute, die große Gefäße in den Händen hielten.
Maverick Inn.
So schnell er konnte, lief Lassiter in die Richtung, wo er die Reklame des Hotels gesichtet hatte. Seine vom Rauch verätzten Lungen brannten. Er ignorierte den Schmerz und spornte sich zu noch höherem Tempo an.
Als er den ersten Häuserblock passiert hatte, knallte ein Schuss. Wie eine wild gewordene Hornisse flog das Blei über seinen hutlosen Kopf hinweg.
Lassiter warf sich gegen die Hauswand. Der Schuss war aus der Quergasse gekommen. Wie es aussah, hatte der Brandstifter das Hotel noch nicht erreicht. Lassiter schob sich an der Fassade entlang bis zur Hausecke. Als er in die Seitenstraße spähte, sah er den Feuerteufel über einen Zaun springen.
Er blieb dem Flüchtigen auf den Fersen.
Den Revolver in Anschlag, erreichte er das Grundstück.
Bashan stand auf der Plattform vor dem Haus. Er war nicht allein. Neben ihm duckte sich eine Frau in mittleren Jahren. Sie trug eine geblümte Schürze und zitterte wie Espenlaub. Bashan hielt ihr die Waffe an den Kopf.
»Ein Schritt weiter – und das Weib stirbt!«, keuchte er.
Der Mann von der Brigade Sieben hielt inne. Der feige Dreckskerl verschanzte sich hinter einer Geisel. Lassiter traute dem Fiesling zu, dass er die Frau gnadenlos niederschoss. In die Enge getriebene Verbrecher reagierten unberechenbar.
»Schmeiß dein Eisen weg!«, knurrte der Mörder.
»Nein.«
»Wie? Was quatscht du da?« Bashan trat von einem Bein aufs andere.
»Zuerst lass die Frau gehen«, sagte Lassiter.
Bashan schäumte vor Wut. »Den Teufel werd ich tun! Glaubst, ich bin bescheuert? Sobald ich sie loslasse, machst du ’nen Kugelfang aus mir.«
»Falsch. Das mag in deinen Kreisen üblich sein, nicht in meinen.«
Sekundenlang sprach keiner ein Wort. Der Wind blies stinkende Rauchschwaden über die Straße hinweg. Die Brandglocke bimmelte in einem fort.
»Ich werde mit dieser Frau jetzt ins Haus gehen«, raunte Bashan. »Wenn du es wagen solltest, uns zu folgen, erschieße ich sie.«
Lassiter appellierte noch einmal an die Vernunft seines Widersachers.
Vergeblich.
Seine Worte verhallten ungehört. Bashan bildete sich ein, er würde nochmal die Kurve kriegen. Aber seine Glückssträhne war definitiv beendet. Während er der angstschlotternden Frau den Colt unters Kinn presste, bewegte er
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