Jagd auf Mrs. Pollifax
erhobenem Messer, während ihr Partner bereits mit Messern eingerahmt war. Die Bilder waren nebeneinander aufgereiht, und während Mrs. Pollifax sie betrachtete, kehrte ein wenig der Erregung zurück, die sie als Kind beim Besuch eines Jahrmarkts empfunden hatte. Als sie Kadis große, staunende Augen sah, mußte sie lächeln. Der Professor führte sie an der Kasse vorbei ins Innere. »Glauben Sie an Magie?« fragte er Kadi.
»Natürlich«, antwortete sie ernst. »Aber es ist unmöglich, ein Mädchen auseinanderzusägen.«
Der Professor blickte sie amüsiert an. »Warum?«
»Weil Sie dann für die nächste Vorstellung keines mehr zum Auseinandersägen hätten.«
»Eine logische, aber sehr naive Folgerung! Waren Sie schon mal auf einem Rummelplatz, junge Dame?«
Kadi schüttelte den Kopf. »In dem Land, in dem ich aufwuchs, gibt es so was nicht.«
»Ein trauriges Land. Ich bedauere es«, sagte er, und damit war es für ihn abgetan. »Jetzt müssen wir üben. Präzision ist alles! Üben, üben, üben!«
In diesem großen Zelt gab es mehrere geschlossene Abteile, doch der Blick fiel als erstes auf eine Bühne am hinteren Ende, vor der mehrere Bankreihen standen. Der Professor schaltete einige Lichter an und rollte ein fahrbares Podest auf die Bühne. »Für wen springt Kadi denn ein?« fragte Mrs. Pollifax.
»Für Shirley«, antwortete der Professor. »Sie ißt zu viel und ist zu dick geworden.«
»Wozu brauchen Sie dann Tatjana?«
»Ah, diese Naivität! Setzen Sie sich, Sie werden jetzt das
Publikum sein und wir machen die Vorstellung nur für Sie. Kadi, Tatjana, kommt! Wie Sie sehen«, wandte er sich an Mrs. Pollifax, »befinden sich auf diesem Podest zwei Kisten, die sich bewegen lassen, sehen Sie?« Er schob sie zusammen. »Sie sehen auch, daß es darunter keine Falltür gibt, keine Spiegel. So, Kadi, du wirst jetzt in diese Kiste steigen und dich in das Podest darunter schlängeln. Also, hinein mit dir.«
»Das Podest is t zu klein!« protestierte Kadi.
»Du paßt hinein, es ist nicht zu klein. Es sieht bloß so aus, als wäre es zu klein — es wurde so angefertigt, daß es aussieht, als wäre es zu klein, daß sich jemand darin verstecken könnte. Alle Magie hier ist Illusion! Also bitte, steig hinein! Wenn die Vorstellung beginnt, bist du bereits darin versteckt.«
Mit unverhohlenem Mißtrauen kletterte Kadi in die bunt bemalte Kiste auf dem Podest, und offenbar fand sie doch genügend Platz, denn sie war plötzlich nicht mehr zu sehen. »Wir fangen jetzt an!« Er und Tatjana verneigten sich. Effektvoll klappten sie die Vorderseite der beiden Kisten ganz herab, um zu beweisen, daß sie leer waren und nicht mit Spiegeln ausgestattet. Dann half der Professor Tatjana mit grandiosen Gesten in die zu einer Einheit zusammengeschobenen Kisten, und sie streckte sich darin aus. Danach klappte der Professor die Seiten wieder zu und ließ nur ihren Kopf und die Füße an jedem Ende herausschauen. »Jetzt, Kadi!« rief er. »Kannst du mich hören?« Ein gedämpftes Ja war zu hören.
»Ich werde jetzt anfangen. Ich habe die Seiten zugeklappt wegen des dramatischen Effekts, selbstverständlich -, so daß nur noch Tatjanas Kopf und Füße zu sehen sind. Paß jetzt gut auf junge Kadi, du hörst mich doch? Gut! Ich werde das Podest nun herumdrehen - in einem weiten Kreis, spürst du es? -, um den Zuschauern zu zeigen, daß wir nicht mit irgendwelchen billigen Tricks arbeiten und daß tatsächlich nur Tatjana da ist. Und während ich dich jetzt auf den Rädern herumdrehe und Tatjanas Füße vom Publikum aus nicht gesehen werden können, mußt du deine Füße durch die Öffnung im Podest und aus der Kiste schieben. Verstehst du? Im gleichen Moment, während das Ding sich dreht, zieht Tatjana ihre Füße zurück und die Knie in ihrer Kiste dicht an sich, und deine Füße sind jetzt Tatjanas Füße. Mon Dieu —, wie gut, daß ich die gleichen Schuhe in vielen Größen habe. Großartig! Deine Füße schauen nun heraus ... Wir sind wieder in der ursprünglichen Position. Ich greife jetzt nach der Säge, und Tatjana schreit, während du, Kadi, mit den Füßen zappelst. So, ich säge!« Mit viel Getue und unter den Schreien Tatjanas sägte er die Kisten durch und schob sie auseinander. Die Illusion war vollkommen: Tatjanas Kopf schaute aus einem Ende der einen Kiste, und ihre zappelnden Füße ragten aus der anderen - dazwischen war nur Luft.
Mrs. Pollifax lachte und klatschte. »Bravo!«
»Gut so?« Der
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