Jagd auf Roter Oktober
her.
Ins Feuerleitgerät wurden Zielkoordinaten eingegeben. Im Ernstfall bliebe den Mark-48-Torpedos kaum Zeit zum Scharfmachen, ehe sie nach neunundzwanzig Sekunden ihr Ziel trafen.
Moskau, Verteidigungsministerium
»Wie geht’s, Mischa?«
Michail Semjonowitsch Filitow sah von einem Aktenstoß auf. Er sah noch rot und fiebrig aus. Dimitrij Bulgakow, der Verteidigungsminister, sorgte sich um seinen alten Freund. Er hätte auf den Rat seiner Ärzte hören und noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben sollen. Aber auf einen Rat hatte Mischa nie gehört, sondern nur auf Befehle.
»Mir geht’s gut, Dimitrij. Wenn man aus dem Krankenhaus kommt, fühlt man sich immer gut – selbst als Leiche.« Filitow lächelte.
»Gesund siehst du aber nicht aus«, bemerkte Bulgakow.
»Pah! In unserem Alter sieht man nie gesund aus. Ein Glas, Genosse Verteidigungsminister?« Filltow holte eine Flasche Wodka aus der Schreibtischschublade.
»Mein Freund, du trinkst zu viel«, tadelte Bulgakow.
»Von wegen, ich trinke nicht genug. Ein bisschen mehr Frostschutz, und ich hätte mir letzte Woche keine Erkältung geholt.« Er füllte zwei Wassergläser zur Hälfte und hielt seinem Gast eines hin. »Hier, Dimitrij, draußen ist’s saukalt.«
Beide Männer setzten die Gläser an, tranken einen Schluck und stießen ein wohliges ›Ah‹ aus.
»Siehst du, es geht mir schon besser.« Filltow lachte heiser. »Sag mal, was ist aus diesem Litauer Abtrünnigen geworden?«
»Das wissen wir nicht genau«, sagte Bulgakow.
»Immer noch nicht? Kannst du mir jetzt verraten, was in seinem Brief stand?«
Bulgakow genehmigte sich noch einen Schluck, ehe er berichtete. Als er geendet hatte, beugte sich Filitow entsetzt über seinen Schreibtisch. »Das kann doch nicht wahr sein! Und man hat ihn immer noch nicht gefunden? Wie viele hat das den Kopf gekostet?«
»Admiral Korow ist tot. Er wurde vom KGB verhaftet und starb kurz darauf an einer Gehirnblutung.«
»Vom Kaliber neun«, merkte Filitow kalt an. »Wie oft habe ich das gepredigt? Wozu brauchen wir eine Marine? Können wir sie gegen die Chinesen einsetzen? Oder gegen die NATO-Armeen, die uns bedrohen? Nein! Was kosten uns Gorschkows flotte Kähne und was springt für uns heraus? Nichts! Und jetzt kommt ihm auch noch ein U-Boot abhanden, das die ganze verfluchte Flotte nicht auftreiben kann. Zum Glück lebt Stalin nicht mehr.«
Bulgakow stimmte ihm zu. Er konnte sich noch gut an das Schicksal von Leuten erinnern, die keinen vollen Erfolg zu melden hatten. »Auf jeden Fall scheint Padorin seine Haut gerettet zu haben. Es ist ein zusätzliches Überwachungselement auf dem Boot.«
»Padorin!« Filitow griff zum Glas. »Dieser Eunuch! Dem bin ich nur dreimal begegnet. Selbst für einen Kommissar ein fader Sack. Lacht nie, selbst wenn er trinkt. Schöner Russe. Warum hält Gorschkow sich so viele alte Böcke?«
Bulgakow lächelte in sein Glas. »Aus dem gleichen Grund wie ich, Mischa.« Beide lachten.
»Und wie will der Genosse Padorin unsere Geheimnisse und seinen Kopf retten? Mit einer Zeitmaschine?«
Bulgakow erklärte seinem alten Freund, was Padorin geplant hatte.
Es gab nur wenige Männer, mit denen sich der Verteidigungsminister so unbefangen unterhalten konnte. Filitow war Oberst bei der Panzertruppe gewesen und trug noch immer stolz die Uniform. Seine erste Feindberührung hatte er am vierten Tag des Großen Vaterländischen Krieges gehabt. Leutnant Filitow war südöstlich mit einem Rudel Panzer des Typs T-34/76 auf den Feind getroffen. Seine erste Begegnung mit Guderians Panzern hatte er überlebt, sich geordnet zurückgezogen und dabei tagelang Widerstand geleistet, bis er in den riesigen Kessel bei Minsk geraten war. Aus dieser Falle war er ausgebrochen wie später aus dem Kessel von Wjasma und hatte ein Bataillon an der Spitze des Gegenstoßes vor Moskau kommandiert. Im Jahr 1942 hatte Filitow an der gescheiterten Offensive gegen Charkow teilgenommen, entkam aber erneut, diesmal zu Fuß. Später in diesem Jahr führte er den Vorstoß, der die italienische Armee an Stalingrads Flanke zerschlug und die Deutschen abschnitt. Dabei war er zweimal verwundet worden. Filitow galt als fähiger Offizier, der auch Glück hatte. Aus war es mit diesem Glück bei Kursk, wo er gegen die SS-Division ›Das Reich‹ kämpfte. Filitow hatte seine Männer in eine heftige Panzerschlacht geführt und war mit seinem Fahrzeug in einen Hinterhalt von 8,8-Geschützen geraten. Dass er überhaupt
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