Jagd auf Roter Oktober
sie jedoch, dass ein Geheimdienstmann in der Uniform eines Bootsmanns politisches Asyl anbot: Wer wollte, konnte in den Vereinigten Staaten bleiben. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter der Besatzung.
Als die amerikanische Crew ihre Mahlzeit einnahm, konnten die russischen Offiziere Kontakte kaum unterbinden, obwohl sie so eifrig die Tische in der Messe abpatrouillierten, dass sie selber nicht zum Essen kamen. Zur Überraschung ihrer amerikanischen Kollegen sahen sie sich gezwungen, wiederholte Einladungen in die Offiziersmesse der Pigeon abzulehnen.
Pigeon legte behutsam an. Als die Gangway herabgelassen wurde, stimmte eine Kapelle an Land russische und amerikanische Weisen an. Angesichts der Tageszeit hatten die Russen mit einer stillen Begrüßung gerechnet. Das war ein Irrtum. Kaum hatte der erste sowjetische Offizier die Gangway betreten, da wurde er auch schon von fünfzig grellen Scheinwerfern geblendet und mit den lauten Fragen der Fernsehreporter konfrontiert. Da die Russen noch nie den westlichen Medien ausgesetzt gewesen waren, führte der Zusammenprall der Kulturen zu einem totalen Chaos. Reporter pickten sich die Offiziere heraus, verstellten ihnen den Weg, ohne sich um die Proteste der Marinesoldaten zu kümmern, die für Ordnung sorgen sollten. Die Offiziere gaben vor, kein Wort Englisch zu verstehen, mussten aber feststellen, dass ein findiger Reporter einen Russischprofessor mitgebracht hatte. Petrow rang sich vor einem halben Dutzend Kameras politisch halbwegs vertretbare Plattitüden ab und wünschte sich, das Ganze möge nur ein böser Traum sein. Erst nach einer Stunde saßen alle russischen Seeleute in den drei Bussen, die sie zum Flugplatz bringen sollten. Dort wiederholte sich die Szene. Die Air Force hatte eine Transportmaschine vom Typ VC-135 geschickt, aber ehe die Russen einsteigen konnten, mussten sie sich erneut durch die Pressemeute drängen.
Ein Dutzend Offiziere der Air Force wies ihnen Plätze zu und gab Zigaretten und Spirituosen in Miniaturflaschen aus. Als die Maschine zwanzigtausend Fuß erreicht hatte, war die Atmosphäre an Bord schon viel gelöster. Über die Lautsprecheranlage meldete sich ein Offizier und erklärte, wie es nun weitergehen sollte. Zuerst stand allen eine ärztliche Untersuchung bevor. Am nächsten Tag würde die Sowjetunion eine Maschine schicken, aber man hoffte, dass sie ihren Aufenthalt um ein, zwei Tage verlängern könnten, um amerikanische Gastfreundschaft kennen zu lernen.
Die Maschine nahm beim Landeanflug zur Edwards Air Force Base eine Route über Washingtons Vororte. Ein Dolmetscher erklärte, dass sie über Mittelklasse-Häuser flögen, die ganz normalen Industriearbeitern und Regierungsbeamten gehörten. Am Boden warteten drei weitere Busse, die nicht über die Umgehungsstraße, sondern direkt durchs Stadtzentrum fuhren. Amerikanische Offiziere in den Bussen entschuldigten sich wegen der Verkehrsstauungen und erzählten den Passagieren, dass jede amerikanische Familie ein Auto besaß, manche sogar zwei oder mehr. Auf der Fahrt durch Washingtons Südostviertel fiel den Russen auf, dass auch Schwarze Autos hatten und dass es kaum Parkplätze gab. Sie sahen Jogger und schwatzten angeregt miteinander, als die Busse durch die feineren Viertel der Stadt in Richtung Bethesda fuhren.
In Bethesda wurden sie von weiteren Fernsehcrews und freundlichen Ärzten der US-Navy empfangen, die sie zur Untersuchung in die Klinik führten.
Dort warteten zehn Bedienstete der sowjetischen Botschaft, die sich fragten, wie die Gruppe unter Kontrolle zu bringen war, aber aus politischen Gründen keinen Einspruch gegen die Aufmerksamkeit erheben konnten, die ihren Männern im Geist der Entspannung zuteil wurde. Jeder Mann wurde rasch und gründlich untersucht, besonders auf Strahlenverseuchung. Auf dem Weg zum Behandlungszimmer fand sich jedes Besatzungsmitglied kurz allein mit einem Marineoffizier, der sich höflich erkundigte, ob der Mann in den Vereinigten Staaten zu bleiben wünsche. Allerdings müsste jeder, der einen solchen Entschluss fasste, seine Absicht in Gegenwart eines Vertreters der sowjetischen Botschaft erklären. Wer dazu bereit sei, dürfe im Lande bleiben. Zum Entsetzen der Botschaftsangehörigen kamen vier Mann zu dieser Entscheidung, die einer nach einer Konfrontation mit dem Marineattache wieder zurücknahm. Die Amerikaner hatten alle Besprechungen auf Videoband aufgenommen, um eventuelle Vorwürfe der Einschüchterung
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