Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
aber es wird gemunkelt, dass sie eWolfe beauftragt haben im Kaikoura Canyon vor der Küste Neuseelands nach dem Giganten zu tauchen.«
Bei der Erwähnung des Namens eWolfe schwand das Lächeln aus Noahs Gesicht.
»Hat Travis Wolfe nicht früher für Sie gearbeitet?« Die Reporterin ließ nicht locker.
»Ja, aber das ist lange her.« Noah Blackwoods Stimme klang gepresst.
»Er und sein Partner Ted Bronson haben damals einen großen Weißen Hai für Sie gefangen, stimmt’s?«
»Nein, den habe ich selbst gefangen und hierhertransportiert«, log Noah. »Travis Wolfe und Ted Bronson waren damals lediglich Deckarbeiter an Bord.« Jetzt warf er der Reporterin einen verschmitzten Blick zu und kicherte. »Und nicht mal sehr gute.«
Einige der Journalisten lachten.
»Ich habe mich immer gefragt, warum Sie den Weißen Hai – immerhin eines der Highlights Ihres Zoos – nach seinem Tod nicht durch einen neuen ersetzt haben?«, fuhr die Reporterin ungerührt fort.
»Ja, er war tatsächlich ein Publikumsmagnet«, räumte Noah ein. »Aber man kann nicht eben sagen, dass der Weiße Hai zu den gefährdeten Tierarten zählt. Deshalb haben wir das leere Becken lieber für eine bedrohte Tümmlerart genutzt. Denn wie Sie wissen, versteht sich die Arche Noah als Artenschutzeinrichtung und nicht als Freizeitpark.«
Hinter dieser Tierschutz-Fassade verfolgte Blackwood mit seinen Themenparks jedoch ganz andere Ziele: Abgesehen davon, dass sie eine Goldgrube waren, dienten sie als Zuchtstätten für seine private – streng geheime – Tiertrophäensammlung, die er in der obersten Etage seines Herrenhauses unterhielt.
Noah beugte sich zu Butch hinüber: »Tu so, als seist du krank, damit ich diese Pressekonferenz beenden kann«, flüsterte er. »Und finde mir umgehend den Namen dieser Reporterin heraus. Sie hat sich gerade selbst ihre Karriere zerstört.«
Butch hatte keine Ahnung, wie man sich krank stellte, aber er gab sein Bestes. Er fing an zu schwanken, als wäre er kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren.
»Alles in Ordnung mit dir, Butch?« Noah griff Butchs Arm, um ihn zu stützen. »Ich hatte Mr McCall geraten besser nicht an dieser Pressekonferenz teilzunehmen«, sprach er mit besorgter Miene ins Mikrofon. »Neben seinen sonstigen Verletzungen leidet er zurzeit nämlich auch noch an einem Malariaschub. Entschuldigen Sie bitte, aber wir müssen die Konferenz jetzt abbrechen.« Mit diesen Worten bahnte sich Noah mit Butch am Arm einen Weg durch die Journalistenschar und steuerte auf das kleine Elektrofahrzeug zu, das sie nach oben zum Herrenhaus bringen sollte.
Als sie an der Reporterin vorbeikamen, die das Gespräch auf den Weißen Hai gebracht hatte, fragte Butch sie nach ihrem Namen. Ohne zu zögern, nannte sie ihn und Butch lächelte. Er wusste, dass sich die Frau bereits am Ende der Woche nach einem neuen Job würde umsehen müssen. Dafür würde sein Chef schon sorgen.
Butch war heilfroh, als sie endlich am Herrenhaus ankamen, wo er vor Kameras sicher war und nicht mehr den kranken Idioten spielen musste. Leider ließ Noah im selben Moment die Maske des freundlichen, besorgten Kollegen fallen. Er schäumte nur so vor Wut, als Butch ihm die Treppe zu seinem Allerheiligsten hinauf folgte – einem großen Raum, den nicht viele Menschen je zu Gesicht bekommen hatten, denn es war der Schlupfwinkel des wahren Noah Blackwood.
Die Welt kannte Noah Blackwood aus Late-Night-Shows im Fernsehen, wo er mit schnuckeligen Tierbabys im Arm gegen Wilddiebe, die Zerstörung von Lebensräumen und die Ausrottung von Tierarten wetterte. Was die Welt nicht wusste, war, dass Blackwoods Privatgemach unterm Dach seines Herrenhauses reihenweise Glasschaukästen enthielt, die mit den exotischsten und bedrohtesten Tieren überhaupt bestückt waren. Diesen Raum betraten Noah Blackwood und Butch McCall jetzt – die einzigen lebenden Wesen zwischen lauter toten.
Nervös wanderte Butch zwischen den luftdicht verschlossenen Vitrinen mit den kostbaren Exponaten auf und ab. Der Präparator hatte so professionell gearbeitet, dass die Tiere ausgestopft sogar besser aussahen als lebendig. Butch kannte mehr als die Hälfte von ihnen sehr gut, denn er hatte sie selbst erlegt. Vor dem Schaukasten eines Neuzugangs blieb er stehen. Es war eine Kaspische Tigerin im besten Alter, die gerade einen Steinbock angriff. Sie hieß Natasha. Butch hatte Natasha nicht getötet, aber er hatte ihre Eltern etliche Jahre zuvor in Afghanistan gefangen und nach
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