Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
auch einen Notplan für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir angegriffen werden.« An dieser Stelle lächelte er in die Runde. »Ich muss sagen: Jeder Pirat, der ernsthaft erwägt die ›Coelacanth‹ zu überfallen, tut mir jetzt schon leid.«
Niemand lachte.
Wieder hatte Wolfe ein paar wichtige Details verschwiegen: zum Beispiel die zwei Saurier-Eier, die in einem der Labors ausgebrütet wurden und wertvoller waren als Hunderte von Schiffsladungen. Und die Tatsache, dass sie die Enkelin von Noah Blackwood an Bord hatten, der keine Kosten und Mühen scheuen würde, um sie in die Hände zu bekommen – am besten mitsamt den Saurier-Eiern. Und nicht zuletzt die Tatsache, dass das sogenannte Sicherheitsteam gerade mal aus drei Männern bestand, von denen einer dreiteilige Anzüge und blank polierte Budapester Schuhe trug.
Wolfes Lächeln verschwand. »Irgendwann im Laufe dieses Nachmittags werden wir ein Segelboot treffen, von dem wir Vorräte und vier zusätzliche Passagiere aufnehmen werden.«
Zwei dieser Passagiere kannte Marty bereits: Bertha und Phil Bishop. Aber er hatte keine Ahnung, wer die beiden anderen waren. Er blickte hinüber zu Theo Sonborn, der ungefähr fünf Meter von ihm entfernt stand und keine Regung zeigte.
»Sobald uns das Segelboot erreicht hat, steht es vieren von Ihnen frei, die Expedition zu verlassen und auf den Segler überzuwechseln«, fuhr Wolfe fort. »Wir zahlen Ihnen die Zeit, die Sie hier an Bord verbracht haben, sowie ein Flugticket an den Ort, an den Sie weiterreisen möchten. Wenn mehr als vier von Ihnen von Bord gehen wollen, lassen wir das Los entscheiden. Aber diejenigen, die bei uns bleiben, hören bitte auf Schauermärchen zu verbreiten, die diese Expedition gefährden. Wenn Alf oder mir noch weitere dieser albernen Geschichten zu Ohren kommen, werde ich das Klatschmaul von Bord werfen, ohne ihm ein Rückflugticket zu bezahlen. Das ist mein letztes Wort in dieser Sache. Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen.«
Mit diesen Worten verließ Wolfe die Kantine.
Marty blieb im Hintergrund sitzen, stocherte weiter in seinem klebrigen Rührei und versuchte die Reaktionen der Crewmitglieder auszuloten. Überrascht stellte er fest, dass ungefähr die Hälfte von ihnen tatsächlich nicht zu wissen schien, wovon Wolfe gesprochen hatte. Es waren hauptsächlich die Forscher und das wissenschaftliche Personal, die wahrscheinlich zu vertieft in ihre Arbeit gewesen waren, um von den kursierenden Schauermärchen etwas mitzubekommen. Die andere Hälfte, zumeist Deckarbeiter und Küchenhilfen, schien dagegen genau zu wissen, was Wolfe meinte. Aufgeregt tuschelnd verließen sie die Kantine.
Eine letzte Kleinigkeit hatte Wolfe verschwiegen: Die zwei Brände, die geölte Metallleiter und der Verlust des Hubschraubers waren keine Zufälle gewesen. Das wusste Marty sozusagen aus erster Hand, denn er war in den vergangenen Tagen ziemlich viel mit der Libelle herumgekommen. Immer wenn er auf dem Gizmo gesehen hatte, dass Wolfe und Alf zusammenstanden, hatte er das kleine Insekt zum Lauschen vorbeigeschickt.
»Brandstiftung und Sabotage«, hatte Alf Wolfe am Vorabend gewarnt. »Ohne jeden Zweifel. Wir haben ein oder zwei Leute an Bord, die offenbar entschlossen sind die Expedition zu sabotieren. Die Festschnallgurte des Hubschraubers müssen von Hand gelöst worden sein, eine andere Erklärung gibt es nicht. Ich selbst habe sie ja ein paar Stunden vor dem Sturm noch überprüft. Nein, nein, da sind Profis am Werk, da bin ich mir ganz sicher. Doch leider habe ich keinen blassen Schimmer, was für Typen das sein könnten. Sie haben sogar ein paar der Minikameras entdeckt und unbrauchbar gemacht. Zwar haben wir einige davon bereits ersetzt, aber da Ted uns nicht genügend Ersatzkameras mitgegeben hat, haben wir jetzt keine Rundum-Überwachung mehr.«
»Ted hat keine Ersatzkameras mehr«, sagte Wolfe. »Wir haben alle verfügbaren mitgenommen.«
»Eine meiner Aufgaben hier an Bord ist es, sicherzustellen, dass die Technik, die ihr, du und Ted, entwickelt habt, nicht in die Hände von Unbefugten gelangt und entwendet wird«, sagte Alf. »Noah Blackwood ist unter Umständen gar nicht der Einzige, der hier herumschnüffeln lässt. Es kann sich genauso gut um Wirtschaftsspionage handeln. Oder um ausländische Agenten. Teds Erfindungen sind sowohl für das Militär als auch für den Geheimdienst von einigem Nutzen. Ich wünschte, ich hätte damals, als ich noch im Geschäft war, solche Kameras gehabt.
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