Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
Luther hingegen zuckte nicht ein Muskel.
»Ruhe, ihr beiden!«, brüllte Grace aus ihrer Kabine. »Ihr müsst lernen miteinander auszukommen.«
Aber Congo und TH ignorierten sie.
Bertha packte Luther an seiner knochigen Schulter und schüttelte ihn. Keine Regung.
Das Kreischen und Kläffen wurde leiser, als Congo und TH in den Gang schossen und um die nächste Ecke verschwanden.
Grace kam in Martys und Luthers Kabine. »Kein Glück?«
»Was ist denn mit dem los?« Bertha war augenscheinlich ratlos.
»Nichts, außer eben, dass er Luther Percival Smyth der Vierte ist«, antwortete Grace. »Schau mal, das hier wirkt manchmal.« Sie hatte eine spitze Schere in der Hand.
»Was hast du vor?«
»Am liebsten würde ich ihm natürlich die Haare schneiden, als kleinen Witz«, antwortete Grace. »Marty hat das einmal gemacht, allerdings hat ihn das nicht aufgeweckt. Und damals waren Luthers Haare auch noch viel länger. Nein, ich werde ihn einfach nur ein bisschen piksen. Das reicht meist schon.« Sie griff nach seiner Hand und stieß die Schere einmal kurz hinein.
Luther riss die Augen auf. »Morgen, Bertha! Hi, Grace.«
»O Gott, das ist ja total gruselig«, kommentierte Bertha.
»Meine Haare?«, fragte Luther, der den Pikser in die Hand offenbar gar nicht mitbekommen hatte. »Lass mich erst mal kurz meine Systeme hochfahren, Bertha, ja? Bis eben war ich noch im Tiefschlaf. Und dann würde ich wenigstens kurz mit der Bürste drübergehen, bevor du daran herummäkelst.«
»Ich hab doch gar nicht von deinen Haaren gesprochen«, sagte Bertha. »Ich habe von deinem komaähnlichen Schlaf geredet und von Grace’ brachialer Weckmethode.«
Luther sprang auf, brachte sein Genick knackend ins Lot … und bemerkte den Blutstropfen auf seinem Handrücken.
»Hast du mich wieder mal gepikst, Grace?«
Grace nickte.
»Ach, das ist schon okay.« Luther sah Bertha an. »Wenn du so gut schlafen würdest wie ich, dann würdest du mit zwei, drei Stunden Schlaf pro Nacht über die Runden kommen. Das bringt dir netto vier bis fünf zusätzliche Stunden täglich, in denen du rumhängen und Blödsinn machen kannst. Wo ist Marty?«
»Unten beim Moonpool.«
»Und worauf warten wir noch?« Luther war schon auf dem Weg zur Tür.
»Glaubst du, dass sein sonderbares Gehirn die Ursache für sein sonderbares Haar ist?«, flüsterte Bertha Grace zu, während sie Luther hinterhereilten.
»Hey, das habe ich gehört«, rief Luther über die Schulter zurück. »Oh, heute werde ich wenig Zeit zum Rumhängen und Blödsinnmachen haben – wegen der zwei kleinen Beißer.«
»Du brauchst die zwei kleinen Beißer heute nicht zu füttern«, sagte Bertha.
»Warum nicht?«
Bertha erklärte Luther Wolfes Theorie.
»Fein«, sagte Luther. »Dann hab ich ja doch Zeit zum Rumhängen und Blödsinnmachen – mit der Libelle zum Beispiel.«
»Das wird Wolfe entscheiden. Du verbringst den Tag mit ihm unten in der MAR-Kontrollkabine und schaust zu, wie er den Tauchgang koordiniert. Das wird wahrscheinlich ebenso aufregend wie einem Stein dabei zuzuschauen, wie er in einen tiefen Brunnenschacht fällt. Außer wenn denen da unten ein Riesenkalmar begegnet – dann wird es vielleicht ein bisschen aufregender.«
»Ich hab eine Aufgabe für dich«, sagte Grace. »Congo und TH haben sich eben aus dem Staub gemacht. Vielleicht kannst du sie mit Hilfe der Libelle orten und zum Moonpool bringen?«
»Klar, die finde ich …!«, sagte Luther, während sie die Luftschleuse passierten. Aber alle weiteren Worte blieben ihm vor Staunen im Hals stecken, als er direkt neben dem Beckenrand ein riesiges goldenes Ei im Wasser schaukeln sah. »Wow!«
Neben der Kugel standen Ted, Marty und Dr. Seth A. Lepod – in goldenen Wasseranzügen, mit schwarzen Helmen und hochgeklappten Visieren.
»Mist, ich hätte meinen Skizzenblock mitnehmen sollen«, schimpfte Luther. »Ihr seht ja aus wie Superhelden! Damit habt ihr euch ’ne Doppelseite in unserem nächsten Comic gesichert!«
Grace reckte sich hinüber und befühlte das Material der goldenen Kugel. »In diesem Ding hier tauchst du auf keinen Fall ab!«, sagte sie zu Marty.
»Aber sicher«, entgegnete Marty. »Das wird ’n Riesenspaß. Mit runtergeklapptem Visier und laufender Kamera ist es, als würde man in einer durchsichtigen Blase durch die Luft fliegen.«
»Sind Sie wirklich Ted Bronson?«, fragte Luther.
»Wie er leibt und lebt«, antwortete Ted. »Freut mich dich kennenzulernen, Luther. Ich habe gehört, dass du
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