Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
erzählte ihr von Roys Verschwinden. Diese Nachricht, zusammen mit dem vorhin gelesenen Tagebucheintrag ihrer Mutter, war zu viel für Grace. Sie fing hemmungslos an zu weinen, woraufhin Wolfe sie in den Arm nahm, bis sie sich beruhigt hatte.
»Wir müssen Schluss machen mit diesem Privatkrieg«, murmelte Grace und wischte sich die Augen.
»Glaub mir, Grace, ich würde nichts lieber tun als das«, sagte Wolfe. »Aber solange Noah Blackwood wild entschlossen ist Schluss zu machen mit mir, Marty, Ted und allen anderen – allen außer dir –, müssen wir uns schützen.« Er sah Phil und Bertha an. »Phil, du kannst Alf bei der Suche nach Roy helfen. Bertha, du warst die ganze Nacht auf den Beinen, leg dich doch in Labor Nr. 9 aufs Ohr, damit du in der Nähe von Grace und Ana bist.«
»Und was ist mit Laurel?«, fragte Bertha.
»Sag ihr, dass sie im Labor bleiben soll. Solange wir Butch noch nicht gefunden haben – oder wer immer derjenige ist, der hier sein Unwesen treibt –, müssen wir in kleinen, gut geschützten Gruppen zusammenbleiben.« Wolfe warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muss jetzt den Tauchgang überwachen. Bis das Boot die richtige Tiefe erreicht hat – und das dauert –, wird zwar nicht viel zu sehen sein, aber trotzdem. Wenn ihr wollt, kann ich euch die Bilder der Videokamera auf den Monitor im Labor übertragen lassen, dann könnt ihr das Ereignis ebenfalls verfolgen.«
Bertha nickte und machte sich dann mit Phil, Grace und Ana auf den Weg zur Luftschleuse. Luther blieb bei Wolfe und schaltete die Libelle ein, die den anderen surrend nach draußen folgte.
Wolfe beobachtete auf Luthers Gizmo, wie die vier den Gang hinuntergingen. »Tut mir leid, Luther, dass du in diesen Schlamassel hineingeraten bist.«
»Kein Problem, echt nicht. Ich bin tausendmal lieber hier als in irgendeinem beschissenen Ferienlager.«
»Du fährst nicht mal in den Sommerferien nach Hause?«
»Manchmal für ein, zwei Wochen, aber dann verreisen meine Eltern wieder und parken mich bis zum Schulbeginn irgendwo zwischen.«
»Womit verdienen deine Eltern ihren Lebensunterhalt?«
»Weiß ich nicht genau«, antwortete Luther. »Ich weiß nur, dass sie rund um die Uhr arbeiten und ziemlich viel Kohle haben. Mein Vater weiß übrigens schwer Bescheid über eWolfe und hat sich gefreut, dass ich den Sommer mit dir verbringe.«
»Wenn er wüsste, wie es hier wirklich zugeht, wäre er wohl nicht so erfreut«, bemerkte Wolfe zerknirscht.
Luther zuckte die Achseln. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Der ist selbst ’n ziemlich harter Knochen. Wenn er hier wäre, würde er sich wahrscheinlich mitten ins Getümmel stürzen.«
»Nimm den Gizmo mit in den Kontrollraum«, bat Wolfe.
Dort schaltete er zwischen den verschiedenen Kamerabildern hin und her, während MAR in die Tiefe absank.
»Marty hat Recht«, stellte Luther fest, während er abwechselnd auf den Gizmo und den Monitor starrte. »Es sieht tatsächlich so aus, als würden sie in einer durchsichtigen Blase treiben. Was ist mit der Außenhaut von MAR passiert?«
»Du siehst dasselbe, was sie auf den Monitoren ihrer Visiere sehen.« Wolfe wechselte jetzt zu einer anderen Kameraeinstellung. Sie zeigte Marty, Ted und Lepod in ihren schwarzen Helmen und Wasseranzügen von vorne, umgeben von der goldenen Hülle des Tauchboots. »Die Außenhaut von MAR ist mit mehr als dreitausend Lämpchen und Minikameras bestückt, die jetzt alle eingeschaltet sind. In der lichtlosen Zone kann man damit fast hundert Meter weit sehen, fast so, als hätte man Tageslicht um sich herum.«
»Erschreckt diese Festbeleuchtung die Riesenkalmare nicht?«, fragte Luther.
»Nicht, wenn sie sich so verhalten wie andere, kleinere Kalmararten. Normalerweise fühlen sich Kalmare vom Licht angezogen.«
»Bertha, Grace und Ana sind wohlbehalten in Labor Nr. 9 angekommen«, vermeldete Luther mit Blick auf seinen Gizmo.
»Gut.«
»Wolfe?«, schnarrte in diesem Moment Caps Stimme durch das Funkgerät.
»Was gibt’s?«
»Yvonne ist weder in der Kantine noch in ihrer Kabine.«
»Dann halte weiter Ausschau nach ihr«, sagte Wolfe und hoffte inständig, dass sie nicht auch in Butchs Fänge geraten war. »Wie sieht’s mit Bo aus? Gibt’s da schon was Neues?«
»Sie ist gerade durch den Maschinenraum geturnt. Einer der Männer dort hat versucht sie aufzuhalten, aber sie hat ihn einfach umgehauen und gebissen.«
»Das ist doch nicht Bo! Das ist völlig untypisch für sie. Sie kann zwar schon ziemlich
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