Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
Laurel.
»Oder ein Rund-um-die-Uhr-Bodyguard«, warf Ana ein.
»Also, in dem Tagebuch klingt Nana nicht nach einer Leibwächterin, sondern nach einer engen Vertrauten. An den Tagen, an denen mein Großvater in der Arche war, hat meine Mutter übrigens jede Minute an seiner Seite verbracht. Und wenn er auf Reisen war, hat sie ihn schrecklich vermisst, wie sie schreibt.«
»Erinnerst du dich an meine Unterhaltung mit Wolfe, direkt nach meiner Ankunft auf Cryptos?«, fragte Laurel.
Grace nickte. Sie hatte sich damals oben auf der Galerie der Bibliothek versteckt und Laurel und Wolfe belauscht. »Ja, er hat meinen Großvater einen Wolf im Schafspelz genannt«, sagte sie und verschwieg, dass sie sich nach der Lektüre der ersten fünfzig Tagebuchseiten gefragt hatte, welcher von beiden Männern eigentlich der Wolf war.
»Du darfst nicht vergessen, dass Noah Blackwood einen Mann wie Butch McCall als Handlanger beschäftigt«, gab Ana zu bedenken. »McCall hat deinen Cousin und wahrscheinlich auch Roy über Bord geworfen. Bei Marty ist sein Plan nicht aufgegangen, bei Roy wahrscheinlich schon. Ich habe jahrelang über Noah Blackwood recherchiert. Der Mann ist ein Monster!«
Laurel warf Ana einen warnenden Blick zu. »Grace muss sich ihre Meinung selbst bilden.« Dann wandte sie sich wieder Grace zu. »Es hat dich viel Mut gekostet, die Truhe zu öffnen und in die Vergangenheit einzutauchen. Du kannst stolz auf dich sein. Nicht mehr lange, und von deinen Ängsten wird keine mehr übrig sein.«
»Hm, das ist wohl eher unwahrscheinlich. In diesem Augenblick zum Beispiel mache ich mir fast in die Hose vor Angst um Marty, der in dieser seltsamen Kugel in den nachtschwarzen Canyon runtertaucht. Überhaupt wird Marty mich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens mit immer neuen Ängsten auf Trab halten.«
»In was für einer Kugel?«, fragte Laurel, woraufhin Ana den Monitor anstellte.
Die Tiefseetaucher hatten die Sphäre absoluter Dunkelheit erreicht und Ted hatte die Scheinwerfer der Tauchkugel eingeschaltet.
»Ein Weißer Hai!«, rief Dr. Lepod.
»Ja, sehe ich«, murmelte Ted.
Der Hai zischte geradewegs auf sie zu, das Maul zu einem breiten, zahnigen Grinsen aufgerissen. Marty zuckte zusammen, als der Riesenfisch die Tauchkugel prüfend anstupste, bevor er in der Dunkelheit verschwand.
»Der kommt gleich noch mal wieder«, prophezeite Dr. Lepod.
Ted reagierte, indem er ein elektrisches Feld um die Kugel herum aufbaute.
Tatsächlich nahm der Weiße Hai sie ein zweites Mal ins Visier, diesmal sogar noch wesentlich ruppiger, aber in dem Moment, in dem er die Außenhaut von MAR berührte, machte er fast einen Salto rückwärts und schoss davon wie eine Rakete.
Ted kicherte. »Ich liebe Weiße Haie, aber die Allerschlauesten unter der Wasseroberfläche sind sie nun wirklich nicht. Dem dürften goldene Wasserbälle wohl zeitlebens verleidet sein – obwohl ich das elektrische Feld nur sehr schwach eingestellt habe.«
Ted hatte Recht. Ein drittes Mal kam der Hai nicht zurück.
»Was passiert, wenn du das elektrische Feld auf volle Stärke stellst?«, wollte Marty wissen.
»Das ist tödlich für sie«, lautete die knappe Antwort. »Aber noch schlimmer ist unsere Pulsmatrix. Ich hoffe, auf die werden wir nicht zurückgreifen müssen, denn die tötet alles im Umkreis von fünfzig Metern. Bevor ich diese Option wähle, würde ich mich lieber rauskatapultieren.«
»Rauskatapultieren?«, fragten Marty und Lepod wie aus einem Munde.
»Unsere Wasseranzüge sind maßgeschneiderte Abwandlungen von MAR … nur ohne Verteidigungs- und Abwehrmechanismen. Sie würden uns eine gute Stunde am Leben halten, womit wir mehr als genug Zeit zum Auftauchen hätten.«
»Was ist mit der Dekompressionszeit?«, fragte Lepod.
»In den Anzügen können wir auf direktem Weg hoch zur Oberfläche, ohne uns um die Taucherkrankheit sorgen zu müssen. Genau wie die Tauchkugel passen sich auch die Wasseranzüge automatisch an den Wasserdruck an.«
»Bemerkenswert«, sagte Lepod. »Das wird die Tiefseeforschung revolutionieren. Vielleicht können wir sogar eine wissenschaftliche Studie herausbringen.«
»Das hier ist alles noch im Versuchsstadium, Dr. Lepod«, bremste ihn Ted. »Wie wir Ihnen schon oben am Moonpool erklärt haben, darf niemand, absolut niemand, von dieser Tauchfahrt erfahren.«
»Natürlich, natürlich«, beeilte sich Lepod zu versichern. »Ich sprach natürlich von einem späteren Zeitpunkt. Wenn Sie bereit sind
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