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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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einfachen Dingen zuerst –, drückten sie unter seine Fingernägel und in seine Hinterbacken, wo sie ein teuflisches Picken an seinen Körperöffnungen auslösten. Es war allerdings kein Vergleich zu dem, was später kam, es war geradezu eine Kleinigkeit. Ein Dichter hält das sehr gut durch, dachte er, als er sich selbst einrede te, dies alles sei lediglich eine Testsache. Wenn er schnell nachgeben würde, würden sie seine Fähigkeit zur Lösung der Aufgaben, die sie ihm stellen würden, noch einmal überprüfen und ihn doppelt schnell töten.
    Er schloß die Augen und dachte darüber nach, wie es wohl sein würde, wenn ein paar Frauen – und nicht diese verdammten Wächter – dies mit ihm anstellen würden, und stand es relativ gut durch, obwohl es nicht einfach war. Aber irgendwann auf halbem Weg zwischen dem Anfang und den wirklich ernsthaften Sachen hatte sich seine Stimmung gewandelt; anfangs hatte er beschlossen, nur so lange auszuhalten, um in ihnen die Ansicht festzusetzen, daß er vertrauenswürdig sei, daß er nicht nur gute Gedichte schreiben, sondern auch ein gehöriges Maß Schmerzen ertragen konnte und somit würdig sei, für sie zu arbeiten. Aber die Prügel, die sie ihm am laufenden Band verabreichten, der Schmerz, der durch seinen ganzen Körper ging, brachte ihn dazu, von seinem Standpunkt abzulassen. Er fühlte, daß er ernsthaft wütend wurde. Sie hatten kein Recht, ihn so zu behandeln. Sie waren die Wächter, und sie hatten sein Leben kontrolliert, solange er sich zurückerinnern konnte (und auch wahrscheinlich jene Zeit seines Lebens, von der er nichts mehr wußte), aber irgendwo mußte eine Grenze sein. Der Dichter war selbst überrascht. Er hatte nie gewußt, daß er solche Gefühle in sich gehabt hatte – sicher nicht diesen angesammelten Zorn. Woher kam das nur?
    »Warte«, sagte einer der Wächter über ihm, und der Schmerz ließ ein bißchen nach, wurde zu einer empfindungslosen, dunklen Ebene, auf der er schwebte, die Augen auf den Himmel gerichtet. »Im Augenblick reicht es. Sprich: Wirst du nun zuhören? Wirst du dei ne Rolle spielen?«
    »Warum?« sagte der Dichter, überrascht darüber, daß er überhaupt noch eine Stimme besaß, metallenen Glanz zwischen den Lippen, der seine Kehle ausdörrte und zusammenzog. »Welche Rolle spielen?«
    »Das haben wir dir erzählt. Es geht um eine Frau.«
    »Keine Frau«, sagte der Dichter. »Keine Frauen . Das ist meine Bedingung. Frauen sollen niemals etwas hiermit zu tun haben.«
    »Willst du noch mehr?«
    »Was mehr? Mehr Folter?«
    »Dies ist keine Folter«, sagte der formlose Wächter geradeheraus.
    »Dies ist lediglich Erziehung, die Grandpädagogik, die die Zellen an den Schmerz gewöhnten. Dies ist es, was du lernst. Wir halten nichts von der Folter. Wir glauben, daß man unter Druck einsichtig wird. Die Kausalität der Not ist es, an die wir glauben. Wirst du vernünftig sein? Daß es so nicht für immer weitergehen kann, weißt du.«
    »Ich habe euch Gedichte geschrieben. Was wollt ihr noch?«
    »Wer hat nach Gedichten verlangt? Wer hat dir die Idee eingepflanzt, daß wir an Gedichten interessiert seien?«
    »Wer hat denn alle diese verdammten Gedichtbände in meiner Zelle gelassen? Wofür sind sie da?«
    »Ah«, sagte der Wächter. Er schien erfreut. »Du in terpretierst das falsch. Du hieltest diese Bücher für eine Anweisung, nicht für eine Erniedrigung. Da kann man nichts machen.«
    »Was, zum Teufel, wolltet ihr, daß ich tue?«
    »Nachdenken«, sagte der Wächter.
    »Ich habe nachgedacht. Ich habe nichts anderes ge tan, als nachzudenken, seit all dies begonnen hat.«
    »Nein«, sagte der Wächter sanft, »du hast nicht nachgedacht. Das war bloß Energieverschwendung. Du hieltest deine Fehlleistung für Traurigkeit. Das passiert uns immer öfter mit unseren Subjekten. Da kann man wirklich nichts machen.«
    Dann war ein Schmerz unter des Dichters Haut, der hinaufwuchs zu seinem Nacken und ihn zittern ließ. Der Wächter starrte auf einen Punkt irgendwo über seinem Kopf, dann sagte er: »Ist das genug?«
    »Genug von was?«
    »Davon?«
    »Nein«, sagte der Dichter, »ich will es nicht tun. Es tut mir leid, aber ich will keine Verwicklungen mit Frauen. Es gibt nichts, was das wert wäre. Ich will euch ein anderes Gedicht schreiben, aber das ist alles, was ich tun kann. Vielleicht sollte ich mich mit Sonet ten beschäftigen.«
    »In Ordnung«, sagte der Wächter, »das reicht.«
    »Wie bitte?«
    »Du wirst es niemals lernen.

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