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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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er wußte, wer er war und was sie mit ihm anstellten; worauf es hinauslaufen würde und was der wahre Sinn von alldem war. Er erkannte sogar, daß dies überhaupt keine Wüste war, nicht unbedingt; es konnte genausogut etwas anderes sein, vielleicht ein gottverdammtes Raumschiff. Oder vielleicht bewerkstelligten sie etwas mit den Drähten in seinem Kopf, was in ihm den Eindruck erweckte, diese Szenerie sei Wirklichkeit. Er hatte irgendwo von solchen Dingen gelesen, und wenn diese Wächter so weit fortgeschritten waren, um – wie er vermutete – eine Invasion der Erde durchzuführen und jedermanns Gedächtnis zu manipulieren, dann waren sie sicher auch clever genug, einen Menschen Bilder sehen und Stimmen hören zu lassen, während er in Wirklichkeit auf einem Tisch lag und einige Instrumente in seinem Schädel hatte, »Hundesöhne«, murmelte er. Und: »Ich wollte ihnen nur ein Gedicht schreiben.« Solange das noch da war und er daran festhalten konnte, konnte er auch die ganze Sache durchstehen. Irgendwie.
    »Und jetzt kannst du es nicht mehr«, sagte die Stimme.
    Aber dann wiederum, wer zum Teufel war er? Und was hatte es mit diesem Spiel, Fragen genannt, auf sich? Soviel er wußte, hatte er in seinem Leben nie ein Spiel wie dieses gespielt – er wußte ja, verdammt noch mal, nicht einmal seinen Namen und mußte darüber nachgrübeln, was ein Es sein konnte. Wiederum konn te es aber doch sein, daß das alles war, was er darstellte und dieses Spiel hier Fragen war ; vielleicht schlief er und träumte alles, weil er das Spiel gespielt hatte. Wer, zum Teufel, war er? Was, zum Teufel, ging hier vor?
    Was stellten sie mit ihm an?
    Die Stimme sagte: Warum?
    Ich weiß nicht, kreischte er, und er kreischte jetzt wirklich; daran gab es keinen Zweifel. Eine Stimme bestürmte ihn von allen Seiten, und er war sich höllisch sicher, daß diese Stimme nicht losgelöst von einem Körper existierte. Ich weiß nicht, warum. Ich weiß überhaupt nichts, ich dachte, daß man Gedichte schreiben könnte und dann sei auch schon Schluß, aber ihr wollt keine Gedichte, nicht? In Wirklichkeit wolltet ihr sie gar nicht haben. Nun denn, zum Teufel mit euch und zum Teufel mit eurer gottverfluchten Wüste; verflucht seien eure Absichten, und verflucht sei die Zeit, die ihr habt. Ich bin, was ich bin, und mein Schädel gehört mir, und außerhalb davon gibt es gar nichts, und sie werden mich nie berühren; ich bin stärker, ich bin ihnen überlegen, ich bin mächtiger, ich, ich, ich …
    Ich bin …
    Ich bin nicht …
    AM STERBEN!
     
    Als er die Augen öffnete, lag er auf einem Tisch. Er lag auf einem Tisch und starrte auf die beiden Glühbirnen an der Decke – die Glühbirnen, die er für Sonnen gehalten hatte, ja, sich das eingebildet hatte – und zitterte und zuckte. Als die Wächter sich über ihn beugten, versuchte er, sie anzuspucken, was ihm aber mißlang; er konnte noch nicht einmal den Kopf bewegen, obwohl er durch nichts behindert wurde; so groß waren seine Schwierigkeiten.
    Vier oder fünf Wächter standen um ihn herum, formlos und unbeschreibbar wie immer, aber er fühlte das Mitleid, das sie mit ihm hatten. Als er den nächststehenden anschaute, bemerkte er den ersten Gefühlsausbruch, den er je bei einem Wächter gesehen hatte. Dieser Wächter war etwas kleiner als die anderen, und er blickte zurück. Und der Dichter fühlte, daß der Wächter so etwas wie ein Spiegel war, ein Spiegel seiner selbst. Indem er tief in die Gesichtszüge dieses einen blickte, konnte er einen Mann sehen, einen kleinen Mann mit verzerrten Gliedmaßen. Er lag auf dem Rücken und seine Augen, seine Augen, waren zu grotesker Größe angeschwollen, die in keinem Verhältnis zu seinem übrigen Gesicht stand. Und sie starrten, starrten mit der perfekten, gefrorenen Vulgarität eines Wahnsinnigen.
    Der Wächter nickte. »Das ist alles sehr schwierig«, sagte er. »Die Risiken sind immer groß, egal was man tut. Ich warnte dich. Ich warnte sogar sie.«
    Der Dichter sagte nichts. Er atmete schwer und unregelmäßig, sprechen schien ganz außer Frage zu stehen. Alle seine Anstrengungen waren in starkem Maße darauf ausgerichtet, dieses Abbild von ihm selbst, das er für einen Augenblick in den Augen des Wesens gesehen hatte, in die Ecke zu treiben, festzuhalten. Aber es gelang ihm nicht. Es war zu tief drinnen.
    »Wirst du nun mit uns zusammenarbeiten?« fragte der Wächter. Seine Stimme klang müde; es war, als ob die ganze Erschöpfung und das ganze

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