Jagdfieber
„Wir werden sehen, ob sie das kann. Du bist ein völlig anderer Typ, soweit ich das einschätzen kann. Deine Schwester war schon immer sehr verschlossen, hat alles in sich reingefressen, während ich dieses Verhalten durch mein fehlendes Interesse an ihrem Leben noch zusätzlich forciert habe.“ Ein Anflug von Selbstekel huschte über Leannes Gesicht. „Gott, ich war wirklich eine schreckliche Rabenmutter. Es würde mich keineswegs wundern, wenn sie nie wieder ein Wort mit mir spricht.“
„Du übertreibst bestimmt.“
Leanne schüttelte vehement den Kopf. „Sicher nicht. Chloe hat furchtbar unter meiner Lieblosigkeit gelitten. Selbst wenn sie mich eines Tages wieder als Teil ihres Lebens akzeptiert, werde ich mir mein Verhalten nie verzeihen können. Durch meine Dummheit habe ich nicht ein Kind verloren, sondern gleich zwei.“
Leanne brach dieses unschöne Geständnis an dieser Stelle ab und spielte angelegentlich mit ihren Fingern. Paige fühlte Mitleid, spürte den Wunsch, ihr den Kummer zu nehmen und ihr gleichzeitig ein bisschen Hoffnung zu schenken. Stattdessen überging sie das Gesagte, weil ihr nichts Vernünftiges einfiel, um es ihr leichter zu machen.
„Freitag treffe ich mich mit Dad, Chloe und Ryan zum Essen“, plapperte sie gedankenlos drauflos und hätte sich danach am liebsten auf die Zunge gebissen. Für Leanne bedeutete das einen weiteren Tiefschlag, weil man sie von diesem geselligen Zusammensein bewusst ausschloss.
„Kommst sonst noch jemand?“, fragte Leanne in diesem Moment und brachte Paige damit ins Schwitzen. Ihr Vater hatte erwähnt, dass er eventuell Madeline mitbringen wollte. Er hatte sich aber noch nicht endgültig entschieden, weil er Madeline dadurch ganz offen als Frau an seiner Seite präsentieren würde. Paige hoffte sehr, dass er darauf verzichten würde, die schöne Britin mitzubringen. Irgendwie ahnte sie, dass Leanne das nicht gut aufnehmen würde.
„Ich gehe mit Victor“, erklärte sie etwas halbherzig, nachdem sich die Pause zwischen Frage und Antwort zu lange auszudehnen drohte.
„Victor …“ Ihre Mutter zog den Namen in die Länge und grinste süffisant. „Wie interessant.“
Paige entging die Ironie hinter der Bemerkung keineswegs. Da sie über die gegenseitige Antipathie der beiden Bescheid wusste, war diese Reaktion keine Überraschung. Das bot ihr die Gelegenheit, vom eigentlichen Thema abzulenken, und sie nahm sie nur zu gerne wahr.
„Wir sind jetzt irgendwie zusammen“, führte sie erklärend an. „Ich weiß, ihr könnt euch nicht leiden, aber ich hoffe, ihr lernt eines Tages, miteinander auszukommen.“
„Unsere Probleme haben ihren Ursprung nicht bei mir“, versetzte Leanne rechtfertigend und fühlte sich offenbar angegriffen. „Er konnte mich vom ersten Tag an nicht ausstehen. Als ich noch mit Ryan verlobt war …“
Leanne verstummte und ein schmerzlicher Ausdruck eilte über ihr Gesicht, nachdem sie seinen Namen ausgesprochen hatte. Ihr Ex-Verlobter war sicher ein heikles Thema, und sie fragte sich, wie ihre Mutter damit klarkam, dass er jetzt mit ihrer eigenen Tochter liiert war. Sie beschloss, einfach zu fragen. Manchmal tat es gut, sich etwas von der Seele zu reden.
„Wie ist das jetzt für dich?“, hakte sie behutsam nach.
„Meinst du Chloe und Ryan?“ Leanne wartete eine Antwort gar nicht erst ab, sondern erzählte nahtlos weiter. „Ganz ehrlich … als rauskam, dass er über mehrere Wochen hinweg eine Affäre mit ihr hatte, war ich natürlich mordsmäßig wütend und verletzt. In erster Linie, weil die beiden mich hintergangen haben, und später war ich sauer auf mich selbst, weil ich die Veränderung bei ihm oder vielmehr bei uns nicht bemerkt hatte. Ich war zu beschäftigt mit meinen eigenen Problemen, um darauf zu achten, dass wir schon längst verschiedene Wege eingeschlagen hatten. Trotzdem habe ich mir eingeredet, er wäre der Richtige für mich.“ Sie seufzte. „Aber dann ist Ross wieder aufgetaucht, und alles wurde zu einem riesigen Durcheinander.“
Leanne lief knallrot an, und Paige ahnte, worauf das alles hinauslief. Die sehr gesunde Gesichtsfärbung ihrer Mutter wies darauf hin, dass diese Begegnungen nicht reibungslos verlaufen waren.
„Sag mal, was ist denn zwischen euch beiden gelaufen?“, wollte sie wissen.
Es war ihr unmöglich, ihre Neugier zu unterdrücken, auch wenn es mehr als unhöflich war, überhaupt danach zu fragen.
Leannes Wangen glühten nun richtiggehend, und ein verdächtiges
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