Jagdhaus in Der Eifel
dahin werfen, wo sie besonders fehlen.«
»Herr Sörensen«, sagte Kommissar Freiberg leicht verlegen, »bitte entschuldigen Sie, wenn mein Kollege etwas zu weit geht, er hat den Stadtstreicher noch nicht verdaut.«
»Mensch Freiberg, laß es gut sein. Ich kenne den Lupus besser als du. Der vergewaltigt seine Sprache, um nicht seine Seele kaputtgehen zu lassen in unserem Geschäft. Stimmt’s, Lupus?«
»Jawohl, Herr neunzehntes K. Ob vielleicht die Sitte für mich richtig wäre?«
»So gefällt er mir«, gab Sörensen zurück, »vom Mörder-Wolf zum Sittenstrolch.«
»Kein so gutes Motto. Ich werde lieber hier bleiben und den Totmachern mein Mehlpfötchen zeigen.«
Der Fahrer hatte den Weg über Euskirchen, Schleiden, Hellenthal und Hollerath genommen, nicht das bequemere neue Autobahn-Verbindungsstück zwischen Euskirchen und Blankenheim. Von Hollerath bis zum Zollamt waren es noch gut zwölf Kilometer. Die Grabenkante neben der rechten Straßenseite bildete die Grenze nach Belgien, ungesichert unauffällig und dicht bewaldet. Besonders einsam jetzt, außerhalb der Saison, ohne Sommerfrischler oder Wintersportler.
Mit einiger Aufmerksamkeit ließen sich im Gelände noch gesprengte Bunker und Panzerhöcker des Westwalls erkennen. Die Betonklötze wegzuschaffen war ebenso teuer, wie sie zu großdeutschen Zeiten in die Erde zu bringen. Genützt hatten sie im Kriege ohnehin nichts.
Der Wald rechts von der Straße zog sich bis tief nach Belgien hinein. Nur ein paar Forstwege führten durch das Hohe Venn in Richtung Malmedy, wo die Tote eine Art Zwischenlager im Keller der Friedhofskapelle gefunden hatte.
Am Grenzübergang Losheimer Graben war großer Auftrieb: die deutschen und belgischen Zollamtsvorsteher mit ihren Mitarbeitern, Beamte des Grenzschutzeinzeldienstes sowie der Kreispolizeibehörde Euskirchen und zwei Beamte der Legion mobile der Gendarmerie in ihren dunklen martialischen Uniformen. Ein Herr in Zivil wurde als Commissaire principal vorgestellt. Ihr Jeep parkte nahe der Wechselstube.
»Werden wir lange hierbleiben?« wollte der Fahrer vom 19. K wissen. » – und wohin geht es dann? Ich will lieber nachtanken.«
»Dreiviertel Stunde wird es schon dauern«, meinte Kriminalrat Sörensen.
»Das hängt von den belgischen Kollegen ab«, hängte Lupus noch dran. »Die werden erst mit uns palavern – ich kenne das. Dann müssen wir diesen entsetzlichen scharf gebrannten Robusta-Kaffee trinken, Polizeifahrer dürfen noch mal Pipi machen und auf geht’s zum Tatort.«
Die Begrüßung war laut und freundschaftlich.
»Messieurs, preferez vous parier français?« fragte Hauptkommissar Freiberg.
Lupus sah ihn aufmerksam an. Es stimmte also doch, daß der richtig studiert hat. Warum eigentlich?
»Wozu französisch? Wir sprechen leidlich deutsch, wir Grenzländer«, meinte Leutnant Boeremans.
Kriminalhauptmeister Müller konnte den Lupus nicht leugnen und fragte ungeniert: »Waren die Kameraden hier nicht schon mal bei uns eingemeindet?«
Die Belgier hatten die Bemerkung zum Glück nicht gehört.
Kommissar Freiberg reagierte sauer: »Nun aber still, vergiß es, kein Belgier erinnert sich gern an Preußen oder an Hitlers Zeiten. Und wir haben andere Sorgen.«
»Haben Sie die Papiere der Toten?« fragte Sörensen den Commissaire principal.
»Nein, sie hatte nichts bei sich«, antwortete dieser.
»Keine Handtasche?«
»Aber nein, ich sagte doch ganz klar – nichts!«
»Was? Nackt hat die da im finsteren Wald gelegen? Da packt einen doch das kalte Grausen«, schüttelte sich Lupus.
»Nein, so nicht, nur keine Tasche.«
»Und wie konnte die Tote so schnell identifiziert werden?« fragte erstaunt Kommissar Freiberg. »Sie haben uns doch schon zwei Stunden nach dem Fund in Bonn angerufen.«
»Ich könnte ja sagen, das ist eben die Qualität unserer Polizei, aber tatsächlich steckte in der kleinen Tasche am Oberteil ihres blauen Kleides so – wie heißt es? – eine Marke, ein Bon, auf dem stand gedruckt: Europaministerium – Eßmarke – Wert 1 (eine) DM. Danach war alles Routine für das Bureau Central des Recherches.«
»Mensch, haben die Kameraden ein Schwein!« platzte Lupus los, merkte aber sofort, daß der Ausdruck bei dieser Gelegenheit nicht passend war und berichtigte sich. »… ein Glück.« Doch auch das war wohl nicht das richtige Wort bei einer Leichensache.
»Wollen Sie die Tote erst sehen? Dann fahren wir gleich nach Malmedy«, fragte Lieutenant Boeremans.
»Nur das nicht«,
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