Jagdhaus in Der Eifel
Hörer auf die Gabel warf.
»Nun, Herr Jungkommissar, was sagt die ›Lehrmeinung‹ dazu? Das neunzehnte K hat die Akte, und wir haben die Tote.«
»Scheiß-Bürokratie«, fluchte Kommissar Freiberg.
»An das eigene Nest denken, Chef«, Lupus hob mahnend den Zeigefinger.
»Entweder wir kriegen die Akten – oder die kriegen die Leiche.«
»Richtig. Leichen sollst du weichen, sagte der Wolf und riß das nächste Schaf. Laß nur, ich bin mit den Unterlagen gleich hier.«
Nach wenigen Minuten war Kriminalhauptmeister Müller mit zwei Aktenordnern zurück. »Mit Sörensen läuft alles blitzschnell. Der hat mit einem einzigen handschriftlichen Vermerk die Einstufung aufgehoben. Der hat die Nase voll von dem Gerede wegen der Spionage. Mordverdacht liegt ja wohl näher, hat er gemeint. Und damit sei das unsere Sache.«
»Und der Registraturleiter?«
»War total verdattert, wie schnell seine Kompetenz dahin war. Jetzt fehlt ihm der Lesestoff. Ich habe ihm empfohlen, die Zeitungsausschnitte über den Stand unserer Ermittlungen zu sammeln. Die könnte er unter Verschluß nehmen. Da käme eine schöne tote Frau drin vor und Sex und Crime. Vielleicht würden seine geheimen Sehnsüchte befriedigt.«
»Du bist ein frecher Hund.«
»Wolf, bitte. Lupus heißt Wolf. Das müßte einem Studierten doch klar sein. Oder hast du Latein abgewählt? Solche Bildungslücken sind schwer aufzufüllen, wenn man aus der reformierten Oberstufe kommt. Meine Tochter kann ein Lied davon singen.«
Freiberg nahm sich einen Aktenordner vor und schob einen anderen über den Tisch.
»Diagonal sichten. Wen nehmen wir zuerst vor?«
»Immer die Frau«, sagte Lupus wie aus der Pistole geschossen.
»Und wer ist das, du Chauvi?«
Lupus Müller blätterte weiter. »Die Hedwig Bessener.«
»Laden wir sie vor oder fahren wir hin?«
»Hinfahren, wir brauchen die Witterung.«
»Wolfshund! – An wen wenden wir uns?«
»Jedenfalls nicht an den Sicherheitsfritzen. Der ist schon aktenkundig genug. Uns kennt dort keiner. Wir nehmen einen Besucherschein und gehen direkt auf die Jungfrau los.«
»Das ist eine oberste Bundesbehörde, da kann man nicht so einfach hineinspazieren«, zweifelte Freiberg.
»Aber ja doch – wenn einer aufmuckt, enttarnen wir uns als ›Mordkommission‹ – dann macht keiner mehr eine dumme Bemerkung. War schon immer so. Uns hilft der Gruseleffekt.«
Freiberg ließ Kriminalmeister Ahrens kommen.
»Schauen Sie inzwischen die Unterlagen gründlich durch; auch mit anderen Kollegen. Lupus und ich fahren zum Venusberg. Keiner haut ab, bevor wir zurück sind. Dann machen wir mal so ein Brainstorming zur Erörterung des Falles.«
»Wenn nur genug ›brain‹ vorhanden ist«, frotzelte Lupus.
Sie erreichten die Dornenburg noch vor dem Ende der gleitenden Arbeitszeit, die jedoch für das Chefbüro keine Bedeutung hatte. Hier gab der Minister den Arbeitsrhythmus an. Seine persönliche Referentin, ein Hilfsreferent, die beiden Chefsekretärinnen und der Kabinettsreferent mußten jederzeit verfügbar sein. Wenn es eine lange Nacht wurde, ging der Verzehr von Kaffee und Gebäck, von Salaten und belegten Brötchen zu Lasten des Repräsentationstitels, obwohl die Rechnungsprüfer andere Vorstellungen darüber hatten. Die beiden Beamten erhielten den Passierschein gegen Hinterlegung des Personalausweises, wie jeder andere Besucher auch. Im Ministerflügel des Hauptgebäudes saß der Pförtner in seiner Panzerglaskabine. Diese einigermaßen sichere Einrichtung hatte man sich in den meisten Ministerien einfallen lassen, als die hohe Zeit des Terrorismus die Politiker verunsicherte.
»Sind die Herren angemeldet? Herr Minister macht Staatsbesuche im Ausland!«
Kommissar Freiberg hielt seinen Passierschein hoch. »Zu Frau Bessener.«
»Ja, die ist oben.«
»Wir kennen uns aus«, sagte Lupus und ging zielstrebig über die läuferbelegten Stufen zu der Tür, die durch das kleine Schild »Vorzimmer des Ministers« gekennzeichnet war. Er klopfte kurz an und öffnete.
Eine großgewachsene Frau stand im Raum und sprach mit zwei Sekretärinnen, die locker am Schreibtisch saßen. Die eine hatte die »Quick« aufgeschlagen, die andere blätterte in einem Modejournal. Alle drei sahen die beiden Besucher überrascht an.
»Den Herrn Minister können Sie leider nicht sprechen«, sagte die Quick-Leserin. Die andere führte den Zeigefinger über den Tageskalender. »Es ist auch kein Termin notiert.«
»Bitte lassen Sie sich nicht bei der Arbeit
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