Jagdhaus in Der Eifel
verunsicherte Lupus die Zögernde noch mehr. »Das wäre selbst für uns einfache Beamte zu einfach.«
Sie fühlte sich in die Enge getrieben. »Was geht das die Kriminalpolizei an? Für Sie genügt doch zu wissen: Das ist Sempers Jagdhütte und ich war dort.«
»Nun gut«, beschwichtigte Kommissar Freiberg, »aber warum waren Dr. Nattinger und Frau dabei?«
»Das sollten die Ihnen am besten selbst erzählen. Es hat sich so ergeben. Semper hat Dr. Nattinger im Wagen mitgenommen. Wir wollten uns einfach mal wieder treffen.«
»Und Frau Nattinger?«
»Die liebt nun wirklich die Jagd und läßt keine Gelegenheit aus, im Revier zu sein. Ihr gehört das alles, eine ziemlich große Jagd, die einen Haufen Geld verschlingt. Die Pachten sind von Normalbürgern nicht aufzubringen.«
»Ich dachte, die lebt für die Society.«
»Na und. Seit wann schließt das jagdliche Ambitionen aus?«
»Und das Jagdhaus gehört ihr auch?«
»Nein, ich habe es schon gesagt, das gehört Herrn Semper. Sein kleines Plätzchen grenzt an Nattingers Revier. Das Haus hat er übrigens vor vielen Jahren von einem Forstbeamten gekauft. Damals ging das noch. Heute macht der Landschaftsschutz so etwas unmöglich. Aber sagen Sie, meine Herren, wohin soll dieses Gespräch führen? Ist das etwa eine Vernehmung? Ich dachte, Sie wollen den Fall Fournier aufklären.«
»Wir sind doch dabei«, bemerkte Lupus.
Der Vernehmung oder Anhörung einen bestimmten Spannungszustand zu geben, schätzte er besonders. In manch einem aussichtslos erscheinenden Fall konnte eine auf diese Weise provozierte Aussage sehr schnell über das hinausgehen, was der Befragte eigentlich sagen wollte. Lupus Müller wußte allerdings nicht, ob der neue Leiter der Mordkommission in der Lage war, das Spiel mitzuhalten. Bisher hatte sich Freiberg als Moderator recht gut bewährt.
Der Kommissar spürte die Absicht seines Mitarbeiters, Hedwig Bessner auf einen Punkt zu treiben, wo eine Antwort im Zorn ebenso gut möglich war wie ein Abbruch des Gesprächs. Darum sah er sie freundlich lächelnd an. Er wollte die Fortsetzung der Aussage.
»Dies ist keine Vernehmung, sondern ein Orientierungsgespräch, das uns vielleicht helfen kann, das Leben und Verhalten von Brigitte Fournier besser zu verstehen. Sie werden uns Plagegeister bald los sein. Vielleicht könnten Sie zu einem Punkt noch etwas sagen. Wußte Dr. Nattinger, daß Sie auch dort sein würden?«
»Die Bedeutung der Frage ist mir nicht ganz klar. Aber Sie sollen eine Antwort erhalten. Ja, er hatte erfahren, daß ich dort sein würde, und ich nehme an, daß er nur aus diesem Grund gekommen ist.«
»Gibt es dafür eine Erklärung – oder geht Ihnen auch diese Frage zu weit?« versuchte Freiberg vorsichtig weiterzuforschen.
»Wenn Sie die Bonner Szenerie erst einmal richtig kennengelernt haben, wird Ihnen manches verständlicher erscheinen. Wissen ist hier Macht, und Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat.«
»Das heißt im Klartext für Anfänger?«
»Nattinger wollte erfahren, ob es bei seiner Beförderung als Nachfolger von Ministerialdirigent Semper noch Probleme gäbe.«
»Und wer könnte das besser beurteilen als die persönliche Referentin des Ministers«, stellte Lupus nüchtern fest und machte damit deutlich, daß zumindest er sich in der Bonner Szenerie auskannte. »Verglichen mit dem Karrieremarkt ist die Kuppelei auf dem Heiratsmarkt ein Kinderspiel.«
Hedwig Bessener zuckte wie getroffen zusammen.
Kommissar Freiberg wußte, daß das Spiel jetzt ausgereizt war. Die persönliche Referentin des Herrn Ministers würde sich zu keiner weiteren Antwort bewegen lassen. Sie spürte die Gefahr, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. So etwas läßt nicht nur Politiker, sondern auch Beamte stumm werden.
Freiberg murmelte ein »Danke sehr«, erhob sich, sagte auch im Namen seines Kollegen ein unverbindliches Abschiedswort und war froh, bald mit den Mitarbeitern im Präsidium reden zu können.
Hedwig Bessener blieb noch einige Minuten im Sessel sitzen, legte die Beine auf den Sitz des anderen und bemühte sich, das Gespräch zu analysieren. Erstmals hatte sie nicht das Gefühl, Herrin der Lage gewesen zu sein. Sie hatte sich zu Äußerungen hinreißen lassen, die sie nicht machen wollte. Sie vermochte die Denkansätze der beiden Beamten der Mordkommission nicht zu ergründen und konnte ein wachsendes Unbehagen nicht unterdrücken. Sie mußte Hans Semper über das Gespräch informieren und zwar
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