Jagdhaus in Der Eifel
zog er die Tür des BMW 720 zu, kurbelte die Scheibe herunter und nahm der Gewohnheit gemäß Luises kleines Küßchen mit auf den Weg.
Bis zum Präsidium wäre es in der direkten Linie durch den Kottenforst nur eine Entfernung von sechs Kilometern. Jedoch mußte der Venusberg umfahren werden. Über die Ippendorfer Allee und Reuter-Brücke hatte sich die Fahrstrecke bis zur Friedrich-Ebert-Allee mehr als verdoppelt. Wie immer war der innerstädtische Verkehr dicht und erforderte Aufmerksamkeit. Glassplitter am Fahrbahnrand bei der Aufmündung der Unterführung der Adenauer-Allee in Höhe des Presse- und Informationsamtes ließen erkennen, daß die morgendliche Rush-hour schon ihren Zoll gefordert hatte. Früher hatte ihm sein Fahrer das verkehrsgerechte Denken abgenommen. Die unvermeidbare Verspätung hielt sich mit fünfzehn Minuten noch in Grenzen.
Im Präsidium wurde Ministerialdirektor Aston nach kurzer Rückfrage und Anmeldung aus der Pförtnerloge sofort von Hauptkommissar Freiberg empfangen.
»Sehr erfreut, Herr Ministerialdirektor, daß Sie zu uns gekommen sind«, eröffnete dieser das Gespräch. »Bitte, nehmen Sie Platz. Sie werden sicherlich nichts dagegen haben, daß mein Mitarbeiter, Kriminalhauptmeister Müller, assistiert. Er kennt die hiesigen Verhältnisse weitaus besser. Ich bin erst seit einigen Wochen in Bonn und muß mich noch einarbeiten. Fräulein Kuhnert übernimmt das Protokoll.«
»Aber selbstverständlich«, antwortete Henrik Aston. »Und bitte, keine Amtsbezeichnung als Anrede, die Zeiten sind passe. Ich meine allerdings, schon alles Wissenswerte gesagt zu haben, was die Spionageaffaire meiner ehemaligen Sekretärin angeht. Ist Kriminalrat Sörensen nicht mehr hier?«
»Doch, der ist noch im Hause. Aber die Zuständigkeit hat gewechselt. Sie befinden sich bei der Mordkommission.«
Diese Eröffnung löste eine seltsame Reaktion aus. Henrik Aston federte aus dem Besuchersessel hoch, in den er sich soeben gesetzt hatte, stieß dabei gegen die Tischkante, ohne den sicherlich heftigen Schmerz wahrzunehmen, und ließ sich gleich wieder zurückfallen.
»Was sagen Sie, Herr Kommissar, die Mordkommission ist befaßt? Ich bin überrascht! Zu hören, daß eine langjährige Mitarbeiterin getötet worden ist, das geht unter die Haut. Ich kenne keinen Spionagefall der letzten Zeit, wo der Informant umgebracht worden ist. Die arme Frau, so lebensfroh. Ich bin erschüttert.«
»Sind Sie mit der Materie vertraut?« fragte der Kommissar.
»Nein, nicht besonders. Aber ich habe in den letzten Wochen die Verfassungsschutzberichte des Innenministeriums studiert. Mit Sicherheitsfragen haben mich Ihre Kollegen reichlich traktiert. Das ergab ein Zwangsinteresse, so mußte ich, in diesem Falle leider, etwas dazulernen.«
»Könnte es auch andere Motive gegeben haben, in der privaten Sphäre von Brigitte Fournier?«
»Wie soll ich das wissen?«
»Oder im dienstlich-zwischenmenschlichen Bereich?«
Henrik Astons Blick wurde suchend. Sein hageres Gesicht nahm einen angespannten Zug an. »Dienstlich? Zwischenmenschlich? Worauf wollen Sie hinaus mit dieser Frage? Ich war ihr Chef und habe mich immer bemüht, die dienstlichen Notwendigkeiten nicht zu zwischenmenschlichen Intimitäten auszuweiten.«
»Aber Brigitte Fournier hat sie häufig auf Dienstreisen begleitet. Da lernt man sich schnell näher kennen.« Lupus Müller hatte seine erste Bemerkung gelandet.
Im Raum wurde spürbar, daß Henrik Aston nicht erkennen lassen wollte, wie ungehalten er war. Eine in der Frühe reichlich genommene Dosis seiner Medikamente trug dazu bei, die Antwort verbindlich erscheinen zu lassen. Seine langjährige Erfahrung aus schwierigen Verhandlungen kam ihm zustatten. Er wandte sich dem Kommissar zu und ließ den Hauptmeister unbeachtet.
»Die Notwendigkeit von Dienstreisen kann für Beamte in meiner Funktion wohl nicht bezweifelt werden. Frau Fournier war eine erfahrene und immer präsente Kraft.«
»Warum sollten wir die Erfordernisse bezweifeln? Uns interessiert, ob Sie auf Grund der – ich betone ›dienstlichen‹ – Beziehungen während der Reisen Erkenntnisse gewonnen haben, die zur Aufklärung des Falles beitragen können. Privatreisen sollen natürlich bei der Betrachtung nicht ausgenommen werden.«
»Ihre Fragen, Herr Freiberg, gehen von unterschwelligen Vermutungen aus. Da möchte ich schon wissen, wann und wo man Frau Fournier gefunden hat.«
»Vorgestern. Wir haben vor vierundzwanzig Stunden den Fall
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