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Jagdhaus in Der Eifel

Titel: Jagdhaus in Der Eifel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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Weißen Stein. Hatten Sie intime Beziehungen zu Ihrer Sekretärin? Hat es Streit gegeben, oder hatte sie Kenntnisse, die Sie, Herr Aston, belasten? Mußte Ihre Sekretärin darum verschwinden? Was hat sich am Freitag vor drei Wochen wirklich zugetragen?«
    Die Fragen prasselten wie Peitschenhiebe herab. Der grüne Stenostift glitt über das Papier. Fräulein Kuhnert schaute nicht auf. Ihr tat der Mann leid, obwohl so vieles gegen ihn sprach.
    Lupus Müller war überrascht, mit welcher Härte und Konsequenz sein Kommissar die hingeworfene Zwischenfrage aufgegriffen und zum richtigen Zeitpunkt mit einer kaum zu erwartenden Dramaturgie weiterentwickelt hatte.
    »Nein, mein Gott, nein! Nein, Herr Kommissar! Wie kann so etwas möglich sein?« preßte Henrik Aston hervor und blieb dabei statuenhaft ruhig. »Nein, ich hatte nichts mit ihr, letztlich nichts, ich hatte ja nicht einmal mehr etwas mit meiner Frau. Die Hypertonie, die Medikamente! Sie haben mir die Potenz genommen. An der Algarve hofften meine Frau und ich, einander wiederzufinden.«
    »Haben Sie am Mittwoch versucht, mit Ihrer Sekretärin intim zu werden?«
    »Verdammt, ja. Ich werde nicht schweigen, obwohl es keinen Zeugen mehr gibt. Ja, ich habe es versucht. Vierzehn Tage allein, eine andere Frau. Ja, ich habe es versucht, aber es ging nicht. Es war schrecklich. Es war demütigend. Und Brigitte hat es lächelnd hingenommen. Sie hat noch gelächelt, als sie ging. Aber sie hat nicht gelacht!«
    »Soll die Vernehmung abgebrochen werden? Wollen Sie mit einem Anwalt sprechen?« fragte Kommissar Freiberg. »Sie wissen als Jurist, daß Sie nicht verpflichtet sind, sich selbst zu belasten.«
    »Meine Aussagen können mich nicht mehr belasten, als ich es in Ihren Augen schon bin. Meinen Anwalt werde ich nach dem Gespräch aufsuchen.« Henrik Aston war müde wie nach einem schweren Kampf. »Oder kann ich dieses Haus nicht mehr als freier Mann verlassen?«
    Kommissar Freiberg hatte sich die Frage noch nicht gestellt. Dringender Tatverdacht, Gefahr im Verzuge und die anderen Stichworte für eine vorläufige Festnahme gingen ihm durch den Kopf. Das alles blieb noch wie hinter einem Schleier.
    »Was ist am Freitag geschehen? Was wirklich?«
    »Ich habe es doch schon erklärt. Brigitte habe ich nicht mehr gesehen. Alles war am Weißen Stein genau so, wie ich es gesagt habe. Alles. Damals als die Jabos kamen…« Die Stimme zerbröckelte. »Nur die Panzerhöcker waren viel größer. Wir – wir waren ja noch Kinder. Tote Kinder am Weißen Stein. Blutig und zerfetzt.«
    Für einen jungen Kriminalbeamten ist es erschütternd, zum erstenmal den Verfall eines Menschen unter der Last von Beweisen und dem Stakkato unbarmherziger Fragen zu erleben. Schuldig oder nicht schuldig, das ist dann zweitrangig. Aller Hoffnung beraubt, zerbricht die Kraft des Menschen von einer Minute zur anderen.
    Die Klinge des Matadors im Herzen, das Brechen des Auges, die Sekunde der Wahrheit für den Toro in der Arena. Ganz fern lag der Vergleich nicht. Kommissar Freiberg mußte sich zwingen, seinem Gefühl des Mitleidens keinen Raum zu geben. Waren die Emotionen nun doch eine Willensleistung der Verstellung und Verschleierung, so würde er das Opfer werden, – er, der jetzt der Vernehmung jede Struktur geben konnte. Er durfte den Indizien ihren zwingenden Charakter nicht nehmen. Bisher waren die kriminologischen Möglichkeiten nur durch Ort und Zeit verknüpft. Jetzt hatte Henrik Aston auch ein Motiv dazu geliefert, als er zugab, daß er versucht hatte, mit seiner Sekretärin intim zu werden.
    Scham und Demütigung wollen keine Zeugen.
    Aston tauchte langsam mit leerem Blick, aber mit weit offenen ratlos suchenden Augen aus einer Welt auf, in der er ganz allein gewesen war, hoffnungslos allein. Er flüsterte fast: »Jetzt weiß ich, was es heißt, sich verloren zu fühlen. Man sucht Hilfe bei seinem Gott.«
    Die nahezu unerträgliche Spannung begann sich zu lösen. Zurück blieb die Ahnung eines Verhängnisses.
    »Herr Aston! Sie waren am Weißen Stein. Dort haben wir Ihre Sekretärin tot aufgefunden. Sie haben versucht, mit ihr geschlechtlich zu verkehren. Die Potenz hat versagt, und das Opfer hat sich über Sie lustig gemacht. Welches Gericht soll Ihnen abnehmen, daß Sie mit dem Mord nichts zu tun haben?«
    »Herr Freiberg, ich bin noch oder schon wieder in der Lage, Ihren Gedanken zu folgen. Für Sie ist die Beweiskette geschlossen. Ein Geständnis wäre nur noch das Einhaken des Verschlusses.

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