Jagdhaus in Der Eifel
eigenen Wald ist sicherlich keine Sache für die Polizei!«
»Ganz so einfach ist die Sache nun doch nicht. Der Wald ist gepachtet, und das sind schließlich öffentliche Wege. Aber wenn Dritte nicht beteiligt sind, wer fragt schon danach. Wir bestimmt nicht.«
Semper schloß den Schuppen wieder zu.
Lupus fragte: »Was gedenken Rehlein und Hirsch im Winter zu speisen?«
»Rauffutter, also Heu, dann Saftfutter, Kartoffeln, Fallobst, Rosenkohlstrünke, gelbe Rüben, rote Beete«, erklärte Semper.
»Als eine Art Minestrone gekocht«, frotzelte Lupus.
»Sie können ja zum Rühren kommen. Übrigens Kraftfutter gehört auch dazu. Roßkastanien, Eicheln, Hafer, Mais und Sesamschrot. Soll ich Ihnen noch die Mengen und Kalorien ausrechnen?«
»Es reicht«, sagte Lupus. »Das erinnert mich zu sehr an unsere Kantine.«
Kapitel 18
Kommissar Freiberg hatte fest vorgehabt, nach der Rückkehr zum Präsidium noch Einsicht in den gerichtsmedizinischen Befund zu nehmen. Der Tag war aber so locker zu Ende gegangen, daß er sich nicht mehr mit Blessuren und Frakturen einer nunmehr seit drei Wochen toten Sekretärin befassen wollte. Das hatte auch Zeit bis morgen. Bei der Mordkommission war schon manches Schnäppchen in der Kiste, mit dem sich weiterfahnden ließ. Er wollte lieber ein kühles Bier mit ein paar Tapas auf den Quetsch setzen und mit seiner studentischen Hilfskraft, wie er Sabine Heyden liebevoll nannte, über zumindest eine andere Seite des Lebens nachsinnen.
Ahrens hatte, vom Mineralwasser erleuchtet, die Strecke zurück so gewählt, daß er durch Endenich, über die Hosenbrücke, vorbei an der Landwirtschaftskammer und der »Pop-Mensa«, wie diese studentische Futterstelle in Poppeisdorf hieß, gleich die Beethovenstraße ansteuerte, ohne einen Umweg zu fahren. Er hielt vor einem schmalen, roten dreigeschossigen Backsteinhaus, das die Einbeziehung in die Stadtsanierungsaktion für Altbauten durchaus verdient hätte. Die Häuserzeilen rechts und links der Straße verkörperten Bonns restaurierte mittlere Bürgerlichkeit aus jener Zeit, als sich die Stadt für Privatiers und Pensionäre, aber auch für die Würdenträger der Universität immer weiter über die geschleiften Bastionwälle des 17. Jahrhunderts hinaus ausdehnte. Hier im Westen um das Poppelsdorfer Schloß herum hatten vorwiegend die Naturwissenschaften ihr Domizil gefunden.
»Der Chef wird abgesetzt«, erklärte Lupus kategorisch. »Der Mann braucht Ruhe und will sicherlich noch diktieren.«
»So long!« verabschiedete sich Freiberg. »Morgen sichten wir den Befund.«
Nachdem Ahrens ein paar hundert Meter gefahren war, sagte er: »Lupus, wenn ich den Chef nicht einbeziehen müßte, mein Befund würde lauten ›Delirium tremens nach alkoholischer Gehirnquetschung‹. Was habt ihr nur für hanebüchenes Zeug dahergeredet. Ich denke, wir führen Ermittlungen in einer Mordsache.«
»Nun halte dein Wasser noch eine Weile und paß schön auf. Ich werde dir alles ganz langsam erklären: Ei der Daus – sagte der alte Oberförster. Er hatte… ja was hatte er denn wohl, der Bursche dort im fernen Walde? Keinen langen Bart, sondern eine wunderschöne Freundin, und diese Freundin hatte eine Freundin, der sie sehr zugetan war, und diese Freundin hatte einen Freund, der ihr manches besorgte. Dieser Freund hatte eine reiche Frau und…«
Ahrens gab es auf und hielt sich am Steuer fest.
Nachdem Walter Freiberg ausgestiegen war, mußte er sich an einigen zumeist älteren Fahrrädern vorbeidrücken, die in Kopfhöhe an den gußeisernen Gartenzaun mit Ketten oder Stahlseilen angeschlossen waren. Diese Art der Sicherung hatte sich in den Studentenvierteln als sehr nützlich erwiesen, um den nachts herumschleichenden »Rostgeiern« das Handwerk zu erschweren. Ein Blick über die Perspektive der Straße zeigte, ob die Mehrheit die Ketten angelegt hatte und in der Bude saß, oder sich den Herausforderungen des Massenbetriebes im Hörsaal oder in der Mensa stellte. Sabines Rad jedenfalls hing am Zaun, gut gesichert mit zwei plastikbezogenen Stahlschlingen durch Vorder- und Hinterrad.
Vor den Fenstern standen ein paar überquellende Mülltonnen und die angerostete Reihe grauer Briefkästen steckte voller Werbedrucksachen, die bald ungelesen in die Mülltonnen wandern würden. Hier wohnten nur Studenten.
An der zweiten Betonstufe vor der Haustür war die Vorderkante abgebrochen. Doch die Klingel war intakt. »Sab. Heyden – viermal tüchtig
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