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Jagdhaus in Der Eifel

Titel: Jagdhaus in Der Eifel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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drücken« lautete die Aufforderung, die auf einem handbeschriebenen Streifen Leukoplast über dem Klingelknopf klebte.
    Walter Freiberg drückte.
    Laut hallte die Klingel in dem hohen Treppenhaus nach, so laut, daß man es auf der Straße hören konnte. Dann polterten schnelle Schritte die Holztreppe vom ersten Stock herunter.
    »Hei – du!« begrüßte ein feingliedriges, dunkles Mädchen den Besucher. »Ich hatte Gissy erwartet. Wir wollten noch Entwürfe lesen und vielleicht essen gehen – wenn sie noch Mäuse hat.«
    »Und ich wollte meine studentische Hilfskraft zu ein paar Tapas einladen.«
    Noch in der offenen Tür zog Sabine ihn an sich. »Endlich kommst du. Du machst dich rar, seit du in Bonn bist.« Sie schnupperte. »Und dann mit einer so schönen Fahne. Dein Dienst scheint schwer zu sein, mein Waldi!«
    Sie mochte die »studentische Hilfskraft« von ihm nicht hören, und er die Retourkutsche »Waldi« nicht. Sie legte zuviel Dackel hinein.
    Der Treppenaufstieg war nicht weniger laut als ihr Abstieg.
    »Mit den Holzklunkern wirst du dir eines Tages noch den Hals brechen.«
    »Sie sind billig und gesund – außerdem kann man sie so demonstrativ in die Ecke feuern, wenn es einen packt – die Wut oder die Liebe.«
    »Und was befeuert dich heute?«
    »Sagtest du nicht, wir wollten essen gehen? Dann werden wir sehen. Aber mein Waldi ist wohl müde, er braucht Ruhe.«
    Als er ihr in den schmalen Hintern kniff, sprang sie mit noch lauterem Getöse die letzten Stufen hinauf.
    Dann vibrierte das Treppenhaus viermal. »Gissy«, rief Sabine und donnerte wieder hinunter. Dabei war sie so leichtfüßig, daß sie ohne die Holzpantinen die Treppe heruntergeschwebt wäre. Seitdem Bafög ausgelaufen war, schien sie noch weniger zu essen. Ihre braunen Augen wirkten übergroß in dem blassen Gesicht, und die Konfektionsgröße 36 hatte schon Schwierigkeiten, den Busen anzudeuten. Ohne die studentische Hilfskraftstelle im Seminar hätte sie die Arbeit an der Dissertation nicht fortsetzen können. Doch das wenige an Geld war kaum genug für Wohnung, Kleidung und Nahrung.
    Seit Jahren bestand hier eine Freundschaft, die auch Liebe war. Doch keiner wollte den anderen binden. Wenn überhaupt, vor dreißig wird nicht geheiratet, war Sabines Grundsatz. »Bis dahin wird verhütet oder abgetrieben«, sagte sie schon mal laut, um ihren Freiheitsdrang zu beweisen. Nur noch zehn Prozent dieses Zeitraums waren durch ihre Selbstverpflichtung gebunden. Walter erinnerte sie manchmal daran. »Merke, ich bin der erste Kandidat, obwohl ich noch gelernt habe, ›traue keinem über dreißig‹.«
    Gissy war etwas jünger. Ihr Monatswechsel stand leidlich sicher, obwohl Papas kleine Ankerwickelei notleidend geworden war und von der Substanz zehrte. Wenn Ebbe in ihrer Kasse war, jobbte Gissy ein paar Tage in einer Pinte in der Nordstadt als Serviererin. Sie war mit ihrer stabilen Figur recht ansehnlich und hatte Kraft genug, den Streß und das Schinkenklopfen auszuhalten.
    Walter Freiberg ahnte, daß ihn die beiden Mädchen mit Fragen in die Zange nehmen würden. So kam es auch. In der Bude war wenig Platz. Bücher in den Regalen und in jeder freien Ecke. Gissy hockte sich auf das Bett, und Sabine saß mit untergeschlagenen Beinen, über die sie einen gebatikten Rock gezogen hatte, auf dem Boden. Walter mußte als Gast in einem Sesselchen thronen.
    »Bist du ganz raus aus der Wissenschaft?« wollte Gissy gleich wissen. »Polizeibeamter – klingt nicht so top bei den Kommilitonen. Haust du auch mit dem Knüppel drauf? Auf Ökologenbodies oder Friedensköpfe?«
    »Sehe ich so aus?«
    »Nein, aber auch nicht wie ein echter Bulle, eher wie ein Überläufer aus dem anderen Lager.«
    »Du hast Vorstellungen«, meinte Walter sich rechtfertigen zu müssen. »Wohin strebt denn der größte Teil der akademischen Gewächse? Wie die großen Heiligen nach den jugendlichen Sünden zur Erlösung – zu Vater Staat. Lehrer, Richter, Staatsanwälte, Dozenten, Ordinarien, Anstellung in Großforschungseinrichtungen, Kliniken und in der Kommunalverwaltung. Ich bei der Polizei. Die Latte läßt sich beliebig fortsetzen. Und du?«
    »Ach, ich möchte ganz gern die jugendlichen Sünden in einer Ehe perpetuieren, möglichst mit einem Beamten etwa ab Oberstudienrat oder Regierungsdirektor. Er darf auch etwas älter sein.« Gissy schmunzelte.
    »Du wirst es schaffen, bei so flexiblen Grundsätzen. Wie die Liberalen – offen nach allen Seiten«, sagte Sabine

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