Jagdhunde (German Edition)

sicherheitshalber auch im Internet. Sie fand nichts, und die Leitung wurde zum zweiten Mal unterbrochen.
    Line fluchte. Für die Polizei war es zwar unproblematisch herauszufinden, wem ein Telefonanschluss gehörte, der nirgendwo verzeichnet war, aber auch sie war dabei auf die Bürozeiten der Telefongesellschaft Telenor angewiesen. Der Bericht war um 03:40   Uhr in der Nacht verfasst worden, und der Ermittler, der Ravnebergs Telefon untersucht hatte, war anscheinend zu dem Entschluss gekommen, es anderen zu überlassen, ergänzende Informationen zu beschaffen.
    Elf Minuten nach dem Anruf der unregistrierten Nummer hatte Jonas Ravneberg die Auskunft angerufen. Danach hatte er die Nummer der telefonischen Rechtsberatung gewählt.
    Line wählte dieselbe Nummer. Schon ganz zu Beginn ihrer Arbeit als Kriminalreporterin hatte sie zu ihrer Überraschung festgestellt, dass einige Anwälte überaus entgegenkommend sein konnten und sogar Auskunft über den Inhalt von Strafrechtsdokumenten erteilten, die sie von der Polizei erhalten hatten. Erst nach einer Weile hatte sie begriffen, dass dies in Erwartung entsprechender Gefälligkeiten ihrerseits geschah. Die meisten Verteidiger gerieten früher oder später in Situationen, in denen sowohl ihre Mandanten als auch die jeweiligen Fälle im Scheinwerferlicht der Medien standen. Insofern war es wichtig, in den Zeitungen eine Spalte freigehalten zu bekommen, um die eigene Version des Sachverhalts darlegen zu können. Hatte ein Fall erst einmal das Interesse der Öffentlichkeit erregt, war es genauso wichtig, die Medien zu überzeugen, wie einen Prozess vor Gericht zu gewinnen. Wenn dann das Urteil kam, waren die Überschriften kleiner und nicht mehr so schädlich.
    »Telefonische Rechtsberatung, Anders Refsti«, antwortete der Mann am anderen Ende der Leitung.
    Line stellte sich vor und erläuterte, woran sie arbeitete. »Es geht um den Mann, der gestern ermordet wurde«, fuhr sie fort. »Jonas Ravneberg. Soviel ich weiß, hat er Sie nur ein paar Stunden vorher angerufen.«
    In der Leitung war es still, doch Line konnte hören, dass er in irgendwelchen Papieren blätterte. Es schien, als käme die Nachfrage vollkommen überraschend für ihn, und sie wunderte sich, dass er nicht bereits von der Polizei kontaktiert worden war.
    »Stimmen meine Informationen?«, fragte Line. »Hat er Sie angerufen?«
    »Ja, ich habe den Namen hier verzeichnet«, bestätigte der Anwalt.
    »Dann haben Sie selbst also mit ihm gesprochen?«
    »Ist das denn irgendwie verifiziert worden?«, fragte der Anwalt. »Dass er es ist, der ermordet wurde?«
    »Nicht offiziell.«
    »Tja, zumindest erklärt das, wieso er heute nicht wie verabredet hierhergekommen ist.«
    »Sie hatten ein Treffen vereinbart?«
    »Er rief gestern Nachmittag an«, erklärte der Anwalt. »Normalerweise mache ich montags keine Verabredungen. Ich arbeite als öffentlich bestellter Strafverteidiger und muss montags meist Termine im Gefängnis wahrnehmen, aber es war ihm sehr wichtig. Wir haben vereinbart, dass er um halb neun kommen könnte, aber er ist nicht aufgetaucht. Jetzt verstehe ich auch, wieso.«
    »Worüber wollte er mit Ihnen sprechen?«
    »Das sagte er nicht, nur dass es wichtig sei.«
    »Irgendwas wird er doch wohl erwähnt haben?«
    »Schon, aber ich weiß nicht, ob ich das hier wiedergeben kann. Alte Sachen, meinte er, glaube ich. Dass es alte Sachen gebe, die wieder an die Oberfläche gekommen seien, und er nicht wüsste, wie er sich dazu verhalten sollte.«
    Line drehte den Kugelschreiber zwischen den Fingern. »Aber mehr hat er nicht gesagt?«
    Der Mann überlegte einen Augenblick, schien aber sehr sicher zu sein, als er antwortete. »Nein.«
    Line ließ den Kugelschreiber auf den Notizblock fallen. »Wäre das für Sie in Ordnung, wenn ich schreibe, dass Sie bestätigen, dass er kurz vor seiner Ermordung um Rechtsberatung ersucht hat, Sie aber nicht sagen können, worum genau es dabei ging?«
    Anders Refsti brauchte etwas Zeit zum Nachdenken. Als er schließlich seine Zustimmung erteilte, hatte Line die Formulierung bereits aufgeschrieben. Sie bedankte sich für das Gespräch und wandte sich dann den anderen Anrufen zu. Doch bevor sie eine neue Nummer wählte, wollte sie noch eine Sache im Internet überprüfen.
    Astrid Sollibakke aus Gressvik tauchte in der Liste am häufigsten auf. Insgesamt vier Gespräche. Auf der Karte sah Gressvik wie eine Ortschaft aus, die mit Fredrikstad zusammengewachsen war, nur durch einen