Jagdhunde (German Edition)
Beweise gefälscht habe, dann sind sie auch gezwungen, mich aus dem Dienst zu entfernen.«
»Aber wie können sie so etwas denn annehmen?«
»Ich habe die neuen Analysen gesehen«, sagte Lines Vater und erläuterte den Hintergrund für den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. »Die Frage ist nicht, ob die Beweise manipuliert wurden, sondern von wem.«
»Aber wieso verdächtigen sie dich?«
»Ich hatte damals die Verantwortung und muss sie auch heute übernehmen.«
Line schüttelte den Kopf. »Und was ist mit diesem neuen Zeugen?«, fragte sie. »Der Haglund ein Alibi geben kann. Weißt du mehr über ihn?«
»Nein, aber das werde ich wohl bald erfahren. Sigurd Henden hat anscheinend vor, die Geschichte in den Medien auf kleiner Flamme weiterzukochen und nur stückweise preiszugeben, was er da in der Hand hat.«
Line nickte. Das war eine altbekannte Medienstrategie. Man gab den Journalisten immer nur so viel, wie sie brauchten, um Schlagzeilen zu produzieren. Die Einzelheiten konnten dann portionsweise nachgereicht werden, sodass der jeweilige Fall auch in den folgenden Ausgaben wieder auftauchte.
»Und was wirst du jetzt machen?«, wollte Line wissen.
»Ich versuche, die Geschichte aufzuklären.«
»Und wie?«
Lines Vater räusperte sich wieder. »Bevor ich das Präsidium verlassen habe, war ich unten im Archiv«, sagte er.
»Arbeitest du an dem Fall?«
»Ich versuche, ihn mit neuen Augen zu betrachten.«
Line stand auf und trat ans Fenster. »Glaubst du, dass er unschuldig war?«, fragte sie.
»Ich habe nichts gefunden, was mich vom Gegenteil überzeugt hat«, erwiderte er.
Das graue Wetter draußen erfüllte das Zimmer mit einem düsteren Licht. Line warf einen Blick auf die Notizen, mit denen sie selbst gerade arbeitete. Der ganze Fall schien ihr plötzlich unwichtig.
»Ich könnte kommen und dir helfen«, schlug sie vor. Das wäre überhaupt kein Problem, dachte sie. Sie könnte aufbrechen und sich krankmelden. Niemand würde ihr einen Vorwurf machen. »Das könnte auch für mich ganz nützlich sein«, fügte sie hinzu. »Wäre doch ganz lehrreich zu sehen, wie die Polizei arbeitet.«
Lines Vater schwieg und schien den Vorschlag in Erwägung zu ziehen. »Lass mich darüber nachdenken«, sagte er schließlich. »Wie geht’s dir denn eigentlich? Arbeitest du noch an dem Fall in Fredrikstad?«
»Ich werde wohl noch einen oder zwei Tage hierbleiben.«
»Wurde schon jemand gefasst?«
Line wurde klar, dass ihr Vater die Nachrichten nicht verfolgt hatte, und konnte das durchaus nachvollziehen.
»Nein, und ich schätze, dass das wohl noch eine Weile dauern wird«, erwiderte sie. »Wo bist du überhaupt?«
»Ich bin in der Hütte.«
Line wandte sich von der Aussicht ab, setzte sich auf die Fensterbank und zog die Beine an. Sie konnte die rote Hütte an der Küste förmlich vor sich sehen und sehnte sich nach dem Geräusch der Wellen und nach den Schreien der Möwen.
»Bist du sicher, dass ich nicht zu dir kommen soll?«
»Ich komme schon zurecht«, beruhigte er sie. »Aber du bist immer willkommen.«
Line hatte bereits eine Entscheidung getroffen. Sie würde alles Notwendige erledigen und dann um ein paar Tage Urlaub bitten.
»Wer ist da eigentlich umgebracht worden?«, wollte ihr Vater wissen.
»Nach aller Wahrscheinlichkeit ein Mann namens Jonas Ravneberg. Ein ziemlich anonymer Typ. Keine Familie und keine Arbeit. Ich werde gleich jemanden treffen, der ihn kannte. Dann haben wir was zu berichten, wenn der Name offiziell bestätigt wird.«
»Allein?«
»Ich nehme den Fotografen mit«, beruhigte sie ihn, verstand aber die Besorgnis ihres Vaters. Da draußen gab es einen unbekannten Täter und es war sehr wahrscheinlich, dass er sich im Umkreis des Ermordeten aufhielt.
29
Erik Fjeld hatte sich am Empfang mit Kaffee aus dem Automaten versorgt. Line füllte sich ebenfalls einen Pappbecher und war startklar. Nachdem sie die Glomma überquert hatten, folgte Line den Anweisungen des Navigationsgeräts. Die Strecke führte ostwärts. Die Besiedelung wurde spärlicher und nach kurzer Zeit waren sie von Feldern mit schwarzen Furchen und gelben Stoppeln umgeben. Der Fotograf zückte die Kamera und machte ein Bild von einem alten, aufgegebenen Traktor. Nach einer Viertelstunde tauchte rechts von der Straße ein großer See auf und schon kurz danach befahl ihnen das Navi abzubiegen.
Ein schmaler, unbefestigter Weg schlängelte sich an Felskuppen und kleinen Hügeln entlang.
»Wie willst du es
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