Jagdhunde (German Edition)
haben?«, fragte Fjeld und wischte die Kameralinse ab.
»Nah«, erwiderte Line. »Persönlich und privat, sodass deutlich wird, wie gut er das Mordopfer kannte.«
Plötzlich fiel ihr ein, was Torgeir Roxrud am Telefon gesagt hatte. Dass sein verstorbener Freund irgendetwas mit sich herumgeschleppt habe, etwas, das an ihm nagte.
»Und düster«, fügte sie hinzu. »Düster und schattenhaft.«
Der Weg endete vor einem niedrigen, braun gebeizten Haus mit weißen Fensterrahmen und grüner Dachpappe. Es lag inmitten eines regenfeuchten Fichtenwalds. Die rostige Dachrinne war teilweise von Moos überwuchert und hing an einer Seite vom Dachvorsprung herab. Auf dem Hof standen ein alter Kranwagen, Stapel gebrauchter Autoreifen und eine Holzpalette mit einem Motor und Autoteilen.
Line lenkte den Wagen um eine riesige Schlammpfütze herum und parkte vor einem selbst gebauten Carport aus Holzbalken und einer vom Wind zerrissenen Plastikabdeckung.
»Nice«, sagte Erik Fjeld mit einem Grinsen. »Düster und schattenhaft dürfte kein Problem sein.«
Sie stiegen aus. Die Luft war rau und roch nach Moder und verfaulten Blättern.
Line ging zur Tür und klopfte an.
Keine Reaktion.
Sie versuchte es noch mal, etwas heftiger, doch noch immer keine Antwort.
Im Fenster neben der Tür hingen geblümte Vorhänge. Line schob einen Holzstuhl dicht an die Hauswand heran und stellte sich auf Zehenspitzen darauf, um hineinzuspähen. Sie blickte in eine Küche, die nur mit dem Allernotwendigsten ausgestattet zu sein schien: Schränke, Arbeitsplatten, Herd und Kühlschrank. Auf dem Tisch lag eine zusammengefaltete Zeitung neben einem Kaffeebecher. Line klopfte an die Scheibe und rief den Namen des Mannes, aber kein Laut war zu hören.
Sie kletterte wieder herunter und drehte sich zu Fjeld. Hinter ihm kam ein großer schwarzer Hund über einen Pfad aus dem Wald gelaufen. Er stoppte am Rand des Hofes und blieb mit gespitzten Ohren, gesenktem Kopf und eingezogenem Schwanz stehen.
Line rührte sich nicht und warf einen Blick auf den Wagen. Erik Fjeld drehte sich um, sah in dieselbe Richtung und machte ein paar vorsichtige Schritte rückwärts.
Der Hund blieb zwanzig Schritt von ihnen entfernt ganz still stehen und beobachtete sie.
Niemand sagte etwas.
Fast eine Minute verharrten sie so, bis sie schließlich einen scharfen Pfiff hörten. Der Hund begann, mit dem Schwanz zu wedeln, und sprang ihnen freundlich entgegen. Aus dem Wald hinter ihm kam ein Mann, der eine schwarze Jacke und weite Hosen trug und einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf hatte.
Erik Fjeld hob die Kamera und schoss ein Bild von ihm.
»Da sind Sie ja«, sagte der Mann und streckte ihnen beim Näherkommen die Hand entgegen.
Der Hund schnüffelte zuerst an Line und leckte ihr die Hand ab, bevor er den Fotografen begrüßte.
Torgeir Roxrud nahm den Hund mit zur Hausecke und spannte ihn an eine Laufleine.
»Dann kommen Sie mal rein«, sagte er und ging voraus.
Er führte sie ins Wohnzimmer, bot ihnen Platz auf dem Sofa an und zog dann die Regenjacke aus, die er über einen Stuhl hängte. Das Zimmer glich eher einer Werkstatt als einem Aufenthaltsraum. Es gab nur wenig Platz. An den Wänden standen Pappkartons übereinandergestapelt und die meisten Möbel dienten als Aufbewahrungsort für Werkzeuge und Autoteile.
»Möchten Sie irgendetwas trinken?«, fragte er. »Kaffee vielleicht?«
Fjeld und Line schüttelten den Kopf.
»Ich weiß ja nicht, wie gut Sie Jonas Ravneberg kannten«, sagte sie. »Mein Beileid, jedenfalls.«
»Vielen Dank«, erwiderte Torgeir Roxrud und setzte sich. »Aber wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, glaube ich eigentlich nicht, dass es jemanden gibt, der ihn wirklich kannte.«
»Wie sind Sie ihm begegnet?«
Torgeir Roxrud beugte sich leicht vor. Sein Atem rasselte. »Durch Max«, erklärte er und warf durch das Fenster einen Blick auf den Hund.
»Schöner Hund«, kommentierte Erik Fjeld. »Ist das ein Hirtenhund?«
Line gefiel, wie sich der Fotograf in die Unterhaltung mischte. Das machte die Atmosphäre entspannter.
»Ja, ein holländischer Hirtenhund«, erläuterte Roxrud. »Jeden Freitag nehme ich ihn mit nach Kongsten, wo wir dann wandern. Die Wälder hier oben werden auf die Dauer etwas langweilig und dann kombinieren wir das mit einer Einkaufstour. Jonas und ich haben uns kennengelernt, als Max noch ein Welpe war. Er war so beflissen und wollte alle begrüßen. Tiedemann ist zwar ein Jahr älter, aber geduldig und verspielt.«
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