Jagdhunde (German Edition)
Er ballte die Hand zusammen und hustete hinein. »Die Hunde haben sich also zuerst kennengelernt und dann kamen wir ins Gespräch.«
»Wie war er eigentlich?«
»Er war nett. Zurückhaltend. Redete keinen Blödsinn. Und er war natürlich einsam. Keine Freunde oder Familie. Nur Tiedemann. Wo ist der übrigens abgeblieben?«
»Er ist auf der Falck- Station untergebracht«, erklärte Line. »Sie müssen wohl versuchen, ihm ein neues Zuhause zu beschaffen.«
Roxrud wurde nachdenklich.
»Worüber hat er so gesprochen?«, wollte Line wissen.
»Es fiel ihm nicht leicht, etwas zu erzählen«, erwiderte er und griff nach einem Schraubenschlüssel, der auf dem Tisch neben ihm lag. »Er hat nie irgendwas gesagt. Ich musste ihm jedes Wort aus der Nase ziehen. Aber wütend konnte er werden. Wollte von niemandem belästigt werden. Ich glaube, es waren die Nerven. Er hatte Angst, dass ihm jemand zu nahe kam.«
Roxrud stand auf, trat ans Fenster und sah nach dem Hund. Erik Fjeld nahm wieder die Kamera und fotografierte ihn.
»Einmal hat er mir von seinem Vater erzählt«, sagte er und legte den Schraubenschlüssel wieder weg. »Das war kurz nach Weihnachten vor zwei Jahren. Ich hatte Jonas für Heiligabend eingeladen, aber er wollte nicht kommen. Einen Tag nach Weihnachten kam er dann doch vorbei und blieb bis zum nächsten Tag. Wir aßen zusammen und gingen mit den Hunden hinauf zum Vetatoppen. Abends haben wir einen Schnaps getrunken und da erzählte er von seinem Vater, der die Kellertreppe hinuntergefallen war, sich den Kopf verletzt hatte und dann gestorben war. Das passierte, als Jonas noch klein war. Und dann hat er über seine Autos gesprochen.«
»Autos?«
»Er sammelte Modellautos. Alte amerikanische Autos. Davon war er ganz besessen. Und Elvis. Er mochte Elvis.«
»The King«, kommentierte Erik Fjeld.
Torgeir Roxrud ging zu einem Schrank am anderen Ende des Zimmers. »Ich bin auch Sammler«, sagte er und zog einen Ordner hervor. »Alte Geldscheine und Briefmarken«, führte er aus und lachte. »Möchten Sie vielleicht meine Sammlung sehen?«
Line lächelte und war einverstanden. Das könnte ein gutes Bild ergeben. Torgeir Roxrud mit der gleichen Sammelleidenschaft wie der ermordete Mann.
»War er nicht Mitglied im Sammlerklub?«, wollte Line bestätigt haben, als er ihr den Ordner mit den Briefmarken zeigte.
»Ja, ich hab ihn dazu überredet«, erwiderte Roxrud und blätterte die Seiten im Ordner um. »Ich dachte, dass ihm das vielleicht guttun könnte. Mal unter Leute kommen. Neue Freunde finden.«
Roxrud hatte gefunden, wonach er gesucht hatte, und legte den Finger auf eine Dreißigøremarke mit rotem Aufdruck. Erik Fjeld stellte das Objektiv scharf und machte zwei Aufnahmen.
»Das ist mein Juwel«, erklärte Roxrud, wurde aber plötzlich von einem Hustenanfall heimgesucht. Sein Gesicht wurde rot und sein kräftiger Körper schüttelte sich heftig. »Eine auf dem Kopf stehende Dreißigøre«, fuhr er fort, als er wieder zu Atem kam. »1906 herrschte Mangel an Briefmarken und da wurde eine alte Partie von Siebenschillingmarken mit 30 Øre überdruckt. Insgesamt wurden vierhundertfünfzigtausend Briefmarken abgeändert und ein paar Tausend sind davon noch im Umlauf. Die sind zwanzig oder dreißig Kronen wert. Aber ein Bogen lag während des Überdruckens verkehrt herum und diese Marken sind tausendmal mehr wert.«
Line blickte auf den winzigen Papierfetzen, auf dem die Zahl dreißig verkehrt herum aufgedruckt war.
»Sie meinen, die ist dreißigtausend wert?«, fragte Erik Fjeld und schoss ein Foto.
Torgeir Roxrud nickte.
»Wie viel kann wohl ein Modellauto wert sein?«, fragte Line.
Roxrud zuckte mit den Schultern, schloss das Album und trug es zurück an seinen Platz. »Auf den Messen werden die für ein paar Hunderter gehandelt«, erwiderte er. »Aber das kann man mit Briefmarken nicht vergleichen. Briefmarken sind ja im Ausgangspunkt Wertpapiere. Da lassen sich ganze Sätze aufbauen, die dann richtig katalogisiert werden können. Ganz anders als bei allen anderen Sammelobjekten.«
»Hatte Jonas Ravneberg ein paar seltene Modelle?«
Torgeir Roxrud setzte sich wieder hin. »Tja, er hatte die Autos von Elvis.«
»Die Autos von Elvis?«
»Die Cadillacs. Elvis hatte mindestens hundert von denen und Jonas hatte Modelle von den meisten.«
»Waren die viel wert?«
»Ich glaube, er hätte für jeden wohl einen Tausender bekommen können, wenn ihm der richtige Käufer begegnet wäre. Er hatte ja über
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