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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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klagten bald, wie viel größer das Haus gewirkt habe, als Vern und seine Frau noch dort gewohnt und die beiden während Joes Referendariat oft eingeladen hatten. Damals hatten sie im Schatten hinterm Haus gesessen, Vern hatte Steaks gegrillt und seine attraktive Frau Georgia Cocktails gemixt. Die beiden waren kinderlos, und das Haus hatte beinahe elegant gewirkt - Joe und Marybeth waren ziemlich neidisch gewesen. Damals hatte ihre Zukunft noch rosig ausgesehen.
Aber das war, bevor die Kinder gekommen und sie sich den Labrador angeschafft hatten. Als sie zu fünft in der Bighorn Road einzogen, platzte das Haus fast aus den Nähten. Und nur vier Monate später schien es wiederum zu schrumpfen - durch das dritte Kind würde alles noch enger werden. Außerdem fiel das Haus fast auseinander - die Haltbarkeit vom Staat gebauter Dienstwohnungen war reichlich kurz.
    Der heutige Sonntag war wahrscheinlich für drei Monate der letzte, an dem Joe seinen Kindern hatte Frühstück machen können. Und an dem er in Ruhe hätte Zeitung lesen können, wenn Keeley nicht dazwischengekommen wäre. Denn die Jagdsaison für Hochwild begann im Twelve Sleep County, Wyoming, am Donnerstag. Dann lief die Schonzeit für Pronghorns ab, und danach waren Weißwedel- und Maultierhirsche, dann Wapitis und schließlich Elche dran. Joe musste in den Bergen seine Runden drehen. Am »Wapititag« war sogar schulfrei, damit die Kinder mit ihren Eltern zum Jagen in die Berge gehen konnten.
    Jäger brachen vor Morgengrauen auf. Also würde auch Joe vor Morgengrauen aufbrechen. Jäger durften das Wild bis tief in die Abenddämmerung aufs Korn nehmen. Also würde Joe sich bis tief in die Nacht rumtreiben müssen, um Jagdscheine und Abschussgenehmigungen zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass das erlegte Wild korrekt registriert, die Gesetze eingehalten und Privatland nicht unbefugt betreten wurde. In Wyoming gehörte das Wild der Bevölkerung, und die nahm sich ihr Eigentum zu Herzen. So wie Joe sich seine Arbeit.
    Sheridans »Nimm lieber deine Pistole mit« ließ ihm keine Ruhe. Sie hatte bestimmt gemerkt, dass er jeden
Abend mit umgeschnalltem Pistolengurt nach Hause kam. Und sein Gewehr blieb immer im Waffenständer an der Heckscheibe des grünen Ford Pick-up, seinem Dienstwagen. Die Kinder wussten, dass er bei der Arbeit eine Waffe tragen musste. Aber sie hatten ihm noch nie vorgeschlagen, damit zu schießen. Vielleicht war ihnen gar nicht klar, was er eigentlich den ganzen Tag machte. Im Vorbeigehen hatte er Sheridan mal sagen hören, ihr Dad rette Tiere. Das sei sein Beruf. Diese Beschreibung seiner Arbeit gefiel ihm, aber sie traf nur zum Teil zu.
    Joe bremste ab, weil eine Herde Pronghorns die Straße kreuzen wollte. Er beobachtete, wie sie sich unter einem Stacheldrahtzaun durchzwängten und auf die Ausläufer des Gebirges zuhielten, dorthin, wo Wacey Hedemans Revier lag.
    Wacey und später Joe waren von Vern Dunnegan im Gelände ausgebildet worden. Vern erzählte jedem, der es hören wollte, sie seien seine Goldjungen - und das klang immer auch ein wenig nach Laufjungen. Weil ihre Bezirke aneinandergrenzten, erledigten Wacey und Joe ihre Aufgaben und Ermittlungen oft gemeinsam. Sie bauten zusammen Schutzzäune für das Heu, liehen sich gegenseitig Pferde und Motorschlitten für Geländepatrouillen aus, telefonierten miteinander, wenn sie Hilfe benötigten, und tauschten ihre Aufzeichnungen. Nach vielen gemeinsamen Stunden vor Morgengrauen im Pick-up kannte Joe Wacey inzwischen ganz gut. Sie waren sogar irgendwie befreundet. Joe war von Wacey so fasziniert wie abgestoßen. Der kannte die Gegend wie seine Westentasche und hatte zu Viehzüchtern wie Wilderern sehr guten Kontakt. Als ehemaliger Rodeoreiter hatte er einen lässig-öligen Charme, mit dem er einfach jeden einwickelte, auch Joe.
Selbst Marybeth schien Gefallen an Wacey zu finden, obwohl sie ihren Mann einmal mit der Bemerkung überrascht hatte, diesem Wacey traue sie nicht übern Weg.
    Joe wusste einige Dinge über ihn, die Marybeth in dieser Ansicht bestärkt hätten. Aber die behielt er für sich.
     
    Joe bog von der Landstraße in den Eagle Mountain Club ab und bremste vor der weißen, schindelgedeckten Pforte. Ein Wächter in Uniform winkte ihn durch, und das schmiedeeiserne Tor öffnete sich selbsttätig. Doch als Joe anfuhr, kam der Wächter plötzlich aus dem Pförtnerhaus auf die Fahrertür zu.
    Er war Ende fünfzig, und seine Uniform spannte überm Bauch.
    »Ich hab Sie mit

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