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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Joe dabei allerdings genau. Tatsächlich schweiften seine Augen kein einziges Mal von Joes Gesicht ab, während er plauderte, von einem Thema aufs andere kam und mal hier, mal dort stichelte und testete, worauf Joe anschlug. Es war diese prüfende, leicht sarkastische, unkonventionelle Art, die Vern so ausgebuffte Verhöre als Jagdaufseher hatte führen lassen.
    »Ich meine - das könnte jedem passieren, nur nicht Joe Pickett, der sauber, ehrlich und anständig ist«, sagte Vern.
    »Ich bin nicht ganz sicher, was du damit meinst.«
    Vern beugte sich vor und rollte sich den Nachttisch heran, um seine Ellbogen abzustützen. »Marybeth ist bestimmt eine prima Frau. Aber wär es nicht toll, mal was anderes vor die Flinte zu kriegen? Hast du schon mal Aimee Kensinger getroffen? Und - rührt sich da nichts bei dir? Sie mag Kerle wie uns. Männer in Uniform, die bewaffnet sind und im Freien arbeiten.«
    Joe schaute weg. Es gefiel ihm gar nicht, wohin Vern da steuerte.
    »Schau dich an, Joe. Du bist groß, hast lange Glieder, goldbraune Augen - die Puppen mögen stramme Jungs wie dich.«

    »Du bist doch nicht hergekommen, um darüber mit mir zu reden«, sagte Joe.
    Vern lachte und zog eine Papierserviette unter der Wasserflasche auf dem Nachttisch hervor. Joe sah zu, wie Vern sie erst zum Quadrat auffaltete, dann aber doch einmal in der Mitte knickte. So, so - ein Rechteck. Danach zog Vern einen Kugelschreiber aus der Hemdtasche.
    »Das ist Wyoming.« Er skizzierte die Grenze des Yellowstone Parks links oben auf die Serviette und die Bergketten der Rocky Mountains von der oberen bis zur unteren Kante aufs Papier. Dann fischte er sich den Schalter, um das Bett elektrisch zu verstellen, und fuhr Joes Kopfteil hoch, damit der gut sehen konnte.
    »Joe, das hier sind zwei Pipelines, die gerade gebaut werden.« Vern zog zwei dicke, schwarze Linien auf der rechten, östlichen Seite des Gebirges entlang. »Sie beginnen beide in Kanada, bei den großen Erdgasfeldern in Alberta. Es geht darum, Montana und Wyoming zu durchqueren und als Erster an die Energieversorgung von Südkalifornien anzudocken. InterWest Resources, mein neuer Verein, sind die Guten. CanCal, unser Konkurrent, sind die Bösen. Jede Leitung kostet pro Kilometer über 600 000 Dollar. Wer zuerst in Kalifornien ankommt, gibt ein Vermögen aus, um dafür am Gas Milliarden zu verdienen. Wer als Zweiter ankommt, gibt einfach nur ein Vermögen aus.«
    Vern zeichnete die Pipeline der CanCal auf die Serviette. Sie verlief durch das Powder River Basin östlich der Bighorn Mountains, bog dann nach Westen und knickte bei der Kleinstadt Lander scharf nach Südwesten durch die Wind River Mountains ab.
    »CanCal arbeitet daran, die nötigen Genehmigungen
der Umwelt- und der Raumordnungsbehörde zu bekommen, um ihre Leitung über den South Pass und weiter nach L.A. zu führen.« Vern markierte Los Angeles durch einige Dollarzeichen. »Die Bedingungen, die beide Firmen erfüllen müssen, um ihre Pipeline zu bauen, sind absoluter Wahnsinn. Da gibt’s Umweltverträglichkeitsprüfungen und jede Menge Überwegungsrechte, die erst eingeräumt werden müssen - für Land im Bundesbesitz, im Besitz von Wyoming und in Privatbesitz. Es ist unglaublich. InterWest beschäftigt genauso viele Anwälte wie Bauarbeiter. Der Kapitalaufwand für ein Projekt dieser Größenordnung ist sagenhaft.«
    Joe nickte einfach. Der Wettlauf der beiden Konzerne nach Kalifornien war seit mehr als einem Jahr ein Dauerbrenner in allen Nachrichtensendungen und Zeitungen Wyomings. Er sah, wie Vern seinen Kugelschreiber auf die Serviette senkte - genau auf das Ende der InterWest-Pipeline.
    »Ich hab die Jungs von InterWest kennengelernt, als sie vor zwei Jahren das erste Mal nach Saddlestring gekommen sind. Sie haben sich mit mir in Verbindung gesetzt, weil ich alles und jeden kenne.« Vern lachte und sah Joe ins Gesicht. »Diese Jungs hatten auf die topographischen Karten geschaut und festgestellt, dass sie womöglich sechs Monate gegenüber CanCal gewinnen und als Erste in Kalifornien ankommen, wenn sie ihre Leitung durch die Bighorns legen könnten. Sie haben mich gefragt, ob das möglich sei. Ich hab gesagt, das könnte klappen, wenn sie den richtigen Mann vorschicken, um die Privateigentümer zu bearbeiten. Und die Liegenschaftsverwalter im Bund und in Wyoming. ›Gebt dem Richtigen ein Scheckbuch‹, hab ich gemeint.«

    Joe drehte die Serviette zu sich um. Die Pipeline lief mitten durch die Bighorns und das

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