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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Müllkippe hinke ein verletzter Maultierhirsch herum. Joe hatte das Tier nicht finden können und war zu Lidgard gefahren, um ihn danach zu fragen. Der war aber nicht im Wohnwagen gewesen, sondern hatte sich draußen im Plumpsklo versteckt, wo Joe ihn gehört und gewartet hatte, dass er rauskam. Jemand hatte Joe erzählt, Lidgard möge keine Besucher und verberge sich am liebsten auf dem Donnerbalken. Nach bald einer Viertelstunde hatte Lidgard sein graues, zerklüftetes Gesicht aus der Tür gesteckt:
    »Hier ist kein kranker Hirsch!«
    »Woher wissen Sie, dass ich nach einem Hirsch suche?«

    »Hau ab!«, hatte Lidgard gekrächzt. »Das ist Privateigentum.« Genau genommen hatte er Pirateigentum gesagt.
    Pirat oder nicht - Lidgard hatte Recht, und weil Joe nicht die Spur eines Hirsches, ob tot oder lebendig, gesehen hatte, war er wieder losgefahren. Auf dem tief eingefurchten Weg zur Straße hatte er im Rückspiegel seines Pick-ups beobachtet, wie Clyde Lidgard vom Außenklo in seinen Wohnwagen geflitzt war. Das nächste Mal hatte er ihn gesehen, als er im Jagdlager aus dem Zelt gekommen und in den Kugelhagel geraten war. Doch in dem Durcheinander im Camp hatte Joe ihn nicht wiedererkannt.
    Lidgard galt als verrückt, aber nicht als gefährlich, obwohl er in den Bergen selten ohne sein altes Gewehr gesehen worden war. Aber nie mit einer großkalibrigen, halbautomatischen Pistole, wie man sie jetzt in seiner Manteltasche gefunden hatte. Allerdings kannten nur wenige Leute Lidgard näher. Es würde ein paar Tage dauern, bis feststünde, dass mit der Pistole wirklich alle drei Ausrüster ermordet worden waren. Warum Lidgard im Lager geblieben war, nachdem er die Männer - zwei von ihnen im Schlaf - erschossen hatte, war unbekannt und Gegenstand vieler Spekulationen. Vielleicht wollte er das Lager für sich allein, meinte einer von der Kripo. Womöglich wusste er einfach nicht, was er tun sollte, mutmaßte McLanahan. Oder vielleicht wartete er auf jemanden, brummte Barnum.
    Joe dachte daran, dass Männer wie Clyde Lidgard in Orten wie Saddlestring längst nicht so selten waren, wie viele glauben mochten. In allen Kleinstädten in den Bergen und in allen abgelegenen ländlichen Gemeinden lebten
Männer wie er. In diesen Sackgassen sammelten sich die Lidgards wie Schlick vor Staudämmen.
     
    Nachdem Marybeth am Abend ihren Mann im Krankenhaus besucht hatte, kam Wacey ins Zimmer. Joe fühlte sich reichlich erledigt, aber Wacey sah noch viel erschöpfter aus. Er berichtete, die Untersuchung gehe weiter, werde aber wahrscheinlich bald abgeschlossen. Alle Beweise würden darauf hindeuten, dass Clyde Lidgard der Mörder sei. Jetzt würden sie nur noch auf den Bericht der Kripo warten, dass aus der bei Lidgard gefundenen Pistole tatsächlich auf die Ausrüster geschossen worden sei. Er, Wacey, habe nicht nur mit den Journalisten der Lokalzeitungen rundum gesprochen, sondern auch mit Radio- und Fernsehreportern, die bis aus Denver gekommen seien. Nicht ohne ein leichtes, verschmitztes Grinsen erzählte er, dass er, Joe und leider auch Hilfssheriff McLanahan als Helden gelten würden. Die ganze Sache habe großes Aufsehen erregt und es bis in alle Nachrichtenagenturen gebracht. Ein Lokalreporter von CNN habe ihn vor der Kamera befragt, und das Interview werde wohl am Abend gesendet. Barnum allerdings sei gefragt worden, warum er denn die kleine Gruppe ohne Verstärkung in die Berge geschickt und warum es so lange gedauert habe, sie alle mit dem schwer verwundeten Tatverdächtigen auszufliegen.
    »Ich steh gut da und Barnum schlecht«, schloss Wacey. »Damit kann ich leben.«
    »Und ob«, sagte Joe. »Aber sag mir eins.«
    »Schieß los.«
    »Hat Clyde Lidgard mit dem Gewehr auf dich gezielt?«

    Wacey schüttelte den Kopf. »Nicht auf mich, auf McLanahan. Darum hat der angefangen loszuballern.«
    »Aber warum hast du zweimal auf Lidgard geschossen? McLanahan hat nur Schrot in die Gegend gepustet, doch du hast dem Kerl zwei Lungenschüsse verpasst.«
    Wacey zuckte die Achseln. »Hättest du das nicht auch gewollt, wenn Clyde Lidgard auf dich gezielt hätte?«
     
    Bald nachdem Wacey gegangen war, spürte Joe, dass schon wieder jemand bei ihm am Bett stand. Als er die Augen öffnete, zeichnete sich im Dunklen ein bedrohlicher Umriss über ihm ab. Joe hatte nicht bemerkt, dass das Licht ausgeschaltet worden war. Und er begriff nicht, wie sich jemand, der kein Arzt war, in seinem Zimmer befinden konnte. Für einen Augenblick vergaß

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