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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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leiser Spott. »Von uns und von der Kriminalpolizei. Es hat sich nichts gefunden, was Lidgard be- oder entlastet hätte. Der Untersuchungsbericht liegt bei den Akten, wenn Sie ihn lesen wollen. Das war ein seltsamer Vogel, und sein Wohnwagen war auch seltsam. Lidgard hat gern mit seiner Kleinbildkamera fotografiert. Bei ihm liegen Tausende von Bildern rum. Und er sammelte Aufnahmen von Marilyn Monroe und besaß sogar die allererste Playboy-Ausgabe - da sind Fotos von ihr drin. Dieses Heft war höchstwahrscheinlich Clydes einziger Besitz, der ein bisschen was wert ist. Würde mich allerdings wundern, wenn’s noch da wäre - bestimmt ist es in die Aktentasche eines Kripobeamten geraten. Aber sonst befindet sich noch alles im Wohnwagen, und der ist verschlossen und versiegelt.«
    Joe hörte genau zu und wartete, dass Barnum fertig wurde.
    »Haben Sie was dagegen, wenn ich mir den Wohnwagen auch mal anschaue?«
    Barnum sah schon wieder betont verdutzt drein. Dann lächelte er leicht, als würde Joe ihn amüsieren. »Wollen Sie ein bisschen ermitteln?«
    »Ich bin nur neugierig.«
    Der Sheriff zog die Augenbrauen hoch. »Darf ich fragen, warum?«
    Joe zuckte die Achseln. »Ich schätze, ich nehm die
Sache etwas persönlich, weil Ote Keeley hinter meinem Haus gestorben ist. Das Ganze hat meine Familie ziemlich mitgenommen.«
    »Was gibt’s da aufzuklären? Ich schlag mich seit über zwanzig Jahren mit solchen Sachen rum und bin inzwischen zu dem schmerzlichen und manchmal unbeliebten Schluss gekommen, dass die Dinge oft genau so sind, wie sie scheinen.«
    »Gut möglich. Aber ich möchte mich selbst davon überzeugen.«
    Joe hatte das Gefühl, der Sheriff mustere ihn übertrieben lange. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, sagte Barnum schließlich. »Die Schlüssel zu Lidgards Wohnwagen liegen bei den Akten. Aber nehmen Sie nichts mit, und bringen Sie nichts durcheinander - vielleicht finden wir ja einen Verwandten, der was mit dem Müll anfangen kann.«
    Joe bedankte sich und stand auf.
    Als er nach der Türklinke griff, sagte Barnum: »Joe, sollten Sie nicht im Wald unterwegs sein, Wilderer schnappen oder Scheißhaufen zählen oder was ihr Aufseher so treibt?«
    Joe drehte sich um.
    »Das sollte ich wohl«, antwortete er ruhig. Und er sagte nicht, was er dachte: Solltest du nicht unterwegs sein und auch der kleinsten Spur nachgehen, statt auf deinem dicken Hintern im Büro zu sitzen, Kaffee zu trinken und dir wegen der Wahl Sorgen zu machen?
     
    Von McLanahan bekam Joe eine Kopie des Untersuchungsberichts und die Schlüssel zum Wohnwagen.
    »Der macht einen fertig, was?«, meinte der Hilfssheriff.
»Die Arbeitsatmosphäre hier ist zurzeit wirklich bombig. Wenn ich mal’nen Witz riskiere oder nur über etwas zu lachen wage, sagt er, ich solle mit der Jerry-Lewis-Nummer aufhören.«
    Joe nickte und nahm Hut und Jacke.
    »Jerry-Lewis-Nummer«, wiederholte McLanahan, als Joe rausging. Es regnete noch immer.
     
    An Clyde Lidgards Wohnwagen hing ein Pappschild, auf dem mit Filzstift stand:
    Jeder, der dabei erwischt wird, dieses Gebäude mutwillig zu beschädigen oder sich Eintritt dazu zu verschaffen, wird mit der ganzen Härte des Gesetzes belangt.
    Der Sheriff des Twelve Sleep County
    Der Regen hatte die Buchstaben verschmieren und verlaufen lassen, und einige schwarze Tintenspuren wanderten die ganze Eingangstür runter.
    Im Wohnwagen war es dunkel, denn der starke Regen ließ nur wenig Licht durch die verdreckten Scheiben und Jalousien dringen. Joe fand den Lichtschalter, musste aber feststellen, dass der Strom abgestellt war. Es roch muffig - aus Kühlschrank und Mülleimer drang der Gestank verfaulender Lebensmittel. Joe beschloss, dort erst zum Schluss auf dem Weg nach draußen nachzuschauen, denn der Geruch, der ihm entgegenschlüge, wenn er Tür und Deckel öffnete, würde wohl erstickend sein. Er zog die Taschenlampe aus seinem Gürtel und knipste sie an. Ein komisches Gefühl, in der Wohnung eines Toten zu stehen. Irgendwie voyeuristisch. Joe führte seine Ermittlungen
normalerweise im Freien, und sie galten oft den liegen gelassenen Kadavern von erlegtem Wild. Hier fühlte er sich eingeschlossen. Er kannte Clyde Lidgard doch nicht gut - was tat er dann in seinem Wohnwagen? Außerdem hatte er nicht die leiseste Ahnung, wonach er eigentlich suchte.
    Alles starrte vor Dreck. Seit Jahren waren die Böden nicht geputzt und kein Staub mehr gewischt worden. Joe stand am Küchentisch und fragte sich, wo er

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