Jagdopfer
uns nicht täuschen. Und dann schließ die Probe und die Untersuchung gut weg. Erzähl niemandem davon. Auch nicht von dem, was wir gerade besprochen haben. Halt es einfach ein Weilchen geheim, bis ich die Dinge hier geklärt habe.«
Dave fragte, wann Joe sich wieder bei ihm melden würde.
»In drei Tagen.«
Fünfzig Kilometer hinter Waltman und dreißig Kilometer vor Kaycee bog Joe von der Schnellstraße in eine kaum befahrene Ranchzufahrt ab. Seine Reifen holperten über den tief gefurchten Weg, bis er über einen Hügel gekommen war. Jetzt konnte man ihn von der Straße aus nicht mehr sehen.
Er schaltete den Motor aus und verließ den Wagen. Im letzten Abenddämmern sah das Salbeigestrüpp ganz flauschig aus. Ein Eselhase hoppelte mit Riesensprüngen den Weg entlang. Im Scheinwerferlicht wirkte er deutlich größer. Hinter Joes Rücken tickte der heiße Motor.
Joe strich über den geriffelten Griff seines neuen Revolvers. Dann hob er die Waffe, spannte den Hahn mit dem Daumen und spürte, wie weich die Trommel in der Schussposition einrastete. Über den langen Lauf zielte er auf den Hasen in der Ferne und drückte ab. Der Schuss krachte, der Rückstoß fuhr ihm mächtig in die Hand, und ein gut halb meterhoher Blitz, der aus der Mündung des Laufs gefahren war, zuckte in seinen Augen nach. Eine Staubwolke schnellte vor dem Hasen aus dem Boden, und er änderte Haken schlagend die Laufrichtung.
Joe feuerte und feuerte. Er drückte immer wieder ab, bis er merkte, dass die Trommel leer war und es schon dreimal nur geklickt hatte. Etwa einen Kilometer entfernt raste der Hase in höchstem Tempo auf die Berge zu.
Mit klingenden Ohren und halbblind vom grellen Licht der Explosionen stolperte Joe zum Pick-up und lud die Waffe nach.
23
Vern Dunnegan war nicht in seinem Zimmer und saß auch nicht an der Theke im Hotel, doch dann entdeckte Joe seinen schwarzen Suburban in der Hauptstraße vor der Stockman Bar. Er parkte daneben. Die Eingangstür schloss sich hinter ihm, und er blinzelte durch die dunkle, schlauchartige und verrauchte Kneipe - ganz hinten saß Vern in seiner Nische, genau wie vor ein paar Tagen. Er war allein und starrte vorgebeugt in ein großes Glas Bourbon mit Soda, das er in den Händen hielt.
Als Joe sich näherte, blickte Vern auf, und eine Miene, die sich als Mischung aus Überraschung und Zorn deuten ließ, huschte über sein Gesicht. Joe konnte Verns Gesichtsausdruck kaum einordnen, weil er sofort einem breiten, übertriebenen Lächeln wich. Er ließ sich Vern gegenüber auf die Bank fallen und bestellte ein Bier.
»Du bist noch verdammt spät unterwegs«, sagte Vern und musterte Joe trotz seines offenherzig wirkenden Lächelns genau.
»Ich komm gerade aus Cheyenne. Das ist eine ewig lange Fahrt.«
»Die dauert zweieinhalb Sixpacks«, lachte Vern. »Ich bin die Strecke sehr oft gefahren. Sieht aus, als hättest du auch ein paar Biere gezischt, um die Gurkerei besser auszuhalten. Aber Vorsicht auf der Schnellstraße.« Vern lächelte wie ein Patriarch. »Einige Verkehrspolizisten tun nichts lieber, als einem Beamtenkollegen eine Anzeige aufzubrummen. Die können einem mächtig Ärger machen.«
Erwischt! Da konnte Joe nur nicken. Ein Trinker wie Vern, der sich jahrelang bemüht hat, seine Sauferei zu verbergen, ist einfach ein guter Beobachter, wenn’s darum geht, ob ein anderer was getrunken hat, dachte er.
»Du hast Wacey gerade verpasst«, fuhr Vern fort. Er hatte sich nun fest im Griff. Was auch immer eben über sein Gesicht gehuscht war - jetzt war es gut versteckt. »Wir haben ein bisschen gefeiert.«
Joe sah überrascht drein.
»Barnum hat heute erklärt, dass er nicht zur Wiederwahl antritt«, sagte Vern. »Der Sheriff geht in den Ruhestand.«
»Das ist nicht dein Ernst!«, antwortete Joe. Warum hatte Barnum sich wohl dazu entschieden? Jetzt, da er aus dem Rennen war, würde Wacey die Vorwahl der Republikaner für das Amt des Sheriffs in ein paar Wochen bestimmt gewinnen. Und das bedeutete im Twelve Sleep County, dass er auch die allgemeine Wahl gewinnen würde. Hier gab’s doch nur eine Handvoll Demokraten, und die wenigsten davon gingen überhaupt noch wählen.
»Der alte Wacey ist ganz begeistert gewesen, und wir haben es mit ein paar Gläschen begossen«, meinte Vern.
»Waceys Begeisterung kann ich mir gut vorstellen. Komisch, dass Barnum ausgestiegen ist.«
Vern zuckte die Achseln. »So was passiert nun mal.
Vielleicht hat er gemeint, dass er bei der Wahl glatt
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