Jagdopfer
durchfällt.«
Joe dachte an sein Gespräch mit Barnum Anfang der Woche. Der Sheriff hatte sich eindeutig so benommen, als sei er schon geschlagen. Aber Joe hatte das damals nicht verstanden und verstand es auch jetzt nicht. Ihm war bei den Leuten hier nicht aufgefallen, dass sie zunehmend Wacey Hedeman unterstützen würden. Und kaum jemand war mit Barnum unzufrieden. Gegen Sheriff O.R. »Bud« Barnum zu stimmen war, wie gegen die Bighorn Mountains zu stimmen. So jedenfalls schätzte Joe die Meinung der meisten Wähler ein.
»Politik«, sagte Vern, als würde dieses eine Wort ihre Unterhaltung zusammenfassen. »Da passieren die unglaublichsten Sachen.«
Joe nippte an seinem Bier. Mist, dass er auf dem Heimweg getrunken hatte. Er hätte jetzt gern einen klareren Kopf.
»Was treibt dich eigentlich in die Stockman Bar? Für dich ist doch längst Schlafenszeit«, meinte Vern.
Joe sah auf. »Ich schätze, ich will dein Jobangebot bei InterWest annehmen,« sagte er. »Ich bin heute suspendiert worden.«
Vern runzelte melodramatisch die Stirn. »Suspendiert? Du?! Das ist doch völlig unmöglich!«
Joe hatte das Gefühl, dass diese Nachricht für Vern längst nicht so überraschend kam, wie er tat. Sie spielten jetzt irgendein Spiel miteinander. Dabei war Joe ein Amateur und Vern ein absoluter Profi.
Joe erzählte, was passiert war. Vern schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen stets im richtigen Moment. Joe dachte kurz, Vern habe vielleicht doch nichts
davon gewusst. Nein, entschied er dann - Vern weiß genau Bescheid. In Cheyenne schulden ihm noch immer viele Leute einen Gefallen, und irgendjemand hat ihm längst einen Wink gegeben.
»Deshalb will ich mit dir arbeiten«, schloss Joe.
»Warum legst du keinen Widerspruch ein? Das hört sich doch nach einer lächerlichen Überreaktion der Behörde an. Die Verhandlung dürftest du gewinnen.«
»Ich hab weder Zeit noch Geld, um gegen sie anzutreten. Und ich muss meine Familie ernähren«, sagte Joe ehrlich. »Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich Widerspruch einlegen soll - ich frage mich, ob ich meinen Job überhaupt zurückhaben will, wenn die zu so was fähig sind.«
Vern trank seinen Bourbon aus und bestellte für beide nach. »Was sagt Marybeth dazu?« Seine Stimme klang nicht freundlich.
»Ich hab noch nicht mit ihr darüber gesprochen.« Joe errötete ein wenig. »Ich bin direkt hierhergekommen.«
»Joe«, sagte Vern, nachdem die Getränke gekommen waren. »Wir haben uns da wohl irgendwie missverstanden.«
»Was meinst du damit?«
Vern lachte auf seine freundlichste Art, als liege die Peinlichkeit der Situation ganz bei ihm. »Joe, ich denke nicht, dass ich dir tatsächlich einen Job angeboten habe. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich nur gefragt, ob du vielleicht Interesse hast, für InterWest zu arbeiten. Ich glaube, ich hab gesagt, ich würde das Gelände sondieren. Kannst du dich nicht mehr an diesen Ausdruck erinnern?«
»Natürlich erinnere ich mich daran.« Joe versuchte zu verstehen, was hier gerade passierte und wohin Vern
steuerte. Er wollte ihm noch immer trauen, aber Verns Feststellung, dass auf Joe bei InterWest kein Job wartete, hatte ihn ins Wanken gebracht und misstrauisch gemacht. »Aber ich weiß, was ich von dir gehört habe und was du damit gemeint hast.«
»Also«, sagte Vern, sah sich kurz in der Kneipe um und senkte die Stimme. »Daraus wird nichts.«
Joe lehnte sich zurück.
»Außerdem …« - Vern rollte sein beschlagenes Glas langsam in den Handflächen - »… habe ich mit meinen Chefs bei InterWest gesprochen. Sie sind inzwischen der Meinung, so wie es jetzt steht, ist es gut. Tja, eine Zeit lang haben sie überlegt und mich gefragt, ob du bereit wärst, für sie zu arbeiten, und ich musste ihnen damals ehrlich sagen, ich hätte nicht den Eindruck. Danach haben sie nochmal drüber nachgedacht und sehen jetzt keinen Bedarf mehr für weitere Angestellte. Weder auf dieser Gehaltsstufe noch in diesem Stadium des Projekts. Vielleicht, wenn du dich eher bei mir gemeldet hättest … Oder mit ein wenig Begeisterung … Bevor diese Sache in Cheyenne passiert ist … Gerade jetzt wäre es reichlich schwer, meine Chefs davon zu überzeugen, du hättest plötzlich deine Meinung geändert und das habe nichts damit zu tun, dass man dich rausgeworfen hat.«
Joe wollte etwas sagen, verkniff es sich aber.
»Ich hab dich auch wegen deiner sauberen Führungsakte und deines tadellosen Rufs bei mir an Bord haben wollen.« Vern klang
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