Jagdsaison. Roman.
begleitete der Marchese Fofò La Matina mit dem Einspänner ins Dorf zurück.
Nach einer ganzen Strecke Wegs brach der Apotheker das Schweigen. »Sie werden verzeihen, Marchese, aber ich fühle mich verpflichtet, Ihnen etwas zu sagen.«
»Schießen Sie los«, sagte Don Filippo gut gelaunt.
»Sie sind ja nicht mehr der Jüngste. Und essen tun Sie in Unmaßen. Im Gesicht sind Sie viel zu rot. Sie sollten sich das zu Herzen nehmen.«
»Was soll ich nur machen?«
»An Ihrer Stelle würde ich mir vorbeugend einige Blutegel anlegen.«
»Fofò, ich laß mir das Blut lieber auf andere Weise aussaugen.«
»Aber haben Sie nicht manchmal, wenn Sie viel gegessen haben, ein Brennen am Magenmund?«
»Von wegen Brennen! Ein richtiges Feuer ist das! Ganze Nächte bringt Trisìna damit zu, mir Liter von Lorbeersud zu kochen.«
»Wasser mit Lorbeer bringt nur schwache Linderung. Wenn Sie gestatten, bereite ich für Sie einige Pastillen vor. Nach dem Mittagessen können Sie in der Apotheke vorbeikommen und sie abholen. Davon nehmen Sie dann eine nach dem Essen, falls es zu reichlich war.«
Nachdem der Marchese Fofò in Vigàta abgesetzt hatte, fuhr er weiter Richtung Hauptstadt und wurde beim Notar Scimè vorstellig.
»Hast du dich endlich durchgerungen und willst dein Testament machen?« fragte der Notar, ein alter Freund von ihm.
Der Marchese griff sich dem Ritus gemäß an die Hoden. »Scimè, du weißt doch, wie die Dinge stehen. Ich bin todsicher, daß ich, wenn ich mein Testament mache, zwei Tage später unter der Erde sein werde. Nein, ich bin hier, um eine Schenkung zu veranlassen: Ich will das ganze Zubbie-Anwesen einem Knaben vermachen, der gestern zur Welt gekommen ist. Und außerdem will ich ihn adoptieren.«
»Was die Schenkung angeht, ist die Sache einfach. Die Adoption aber ist schon eine Spur schwieriger. Gleich morgen werde ich die notwendigen Schritte einleiten. Wenn ich nicht zu neugierig bin – wer ist denn der Kleine?«
»Der Sohn der Frau eines meiner Feldhüter.«
»Verstehe, aber was hast du mit ihr zu tun?«
»Ich hatte mit ihr zu tun, Scimè. Genau wie damals der Heilige Geist.«
Er fuhr nach Vigàta und suchte den Buchhalter Papìa auf, den er in eine Gaststätte einlud, um beim Essen wichtige Angelegenheiten zu besprechen. Zu Hause bei Ntontò ließ er sich nicht blicken.
Zu gegebener Stunde machte er einen Abstecher in die Apotheke, holte die Schachtel mit den Pillen ab und trat den Rückweg auf die Zubbie an.
Pasta mit Ragù aus Salsicce und ein Zicklein aus dem Ofen mit Erdäpfeln, dazu einen kräftigen Wein, den er sich von Mimì hatte bringen lassen und den Trisìna und Natale noch nie zuvor gesehen hatten – der Korken knallte wie ein Gewehrschuß, der Tropfen hatte es in sich: er trank sich wie Hahnenwasser, stieg einem aber schwer zu Kopf –, das war das Festessen des Marchese zur Feier des ersten Lebensmonats des Knäbleins. Später beklagte sich Don Filippo, daß ihm das Essen schwer auf dem Magen liege.
»Wollen Euer Ehren, daß ich Euch die Pillen hole?« fragte Trisìna.
»Nein, Trisì. Ich lege mich ein wenig hin. Falls ich einschlafe, weck mich bitte gegen vier.«
Er nahm ein Glas Wasser mit auf sein Zimmer, holte eine Pille aus der Schachtel auf dem Nachttisch, schluckte sie und legte sich aufs Bett.
Als Trisìna ihn um vier Uhr wecken wollte, war er schon tot.
Es war noch kein Morgenlicht zu sehen, als Mimì aus dem Schlaf gerissen wurde, da jemand verzweifelt gegen das Portal schlug und trat. Mimì eilte zum Eingang, und Natale Pirrotta, bleich und zitternd wie Espenlaub, stand vor ihm.
»Was ist passiert?«
»Der Marchese… gestern abend, nach dem Essen… ging aus dem Haus, um sich etwas die Beine zu vertreten… und seitdem haben wir ihn nicht mehr gesehen… ich habe nach ihm gesucht… ihn aber nicht gefunden.«
Mimì überlegte nicht lange und schickte Natale los, um Kommissar Porterà zu verständigen, und machte sich selbst, so wie er war, auf die Beine, um den Apotheker aus dem Bett zu holen.
Gegen Mittag gab einer der Männer Porteras einen Schuß in die Luft für die anderen ab, die in verschiedene Richtungen ausgeströmt waren; er hatte sich in eine gottverlassene Gegend bis zum Vaso di Failla vorgewagt, einer tiefen, trichterförmigen Schlucht voller Gesteinsbrocken und bröseliger Tonerde, wo hie und da ein Büschel Hirse wuchs, und sonst nichts. Dort in der Tiefe lag der leblose Leib des Marchese. Als Porterà eintraf, ließ er alle
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