Jagdsaison. Roman.
Laster, er trinkt nicht, raucht nicht, spielt nicht.«
»Und ab und zu läßt er den Zapfen springen.«
»Was heißt das?«
»Nichts«, winkte der Marchese ab. Und nach einer Pause fragte er: »Und von wem stammt dieser nette Einfall? Von Ihnen, Ntontò und dem Apotheker zusammen?«
»Ihre Tochter und der Apotheker wissen von nichts. Wir, ich und die gute Frau Colajanni, haben uns den Kopf zerbrochen.«
»Darf ich Ihnen was sagen?«
»Gewiß.«
»Sie und die gute Frau da können sich diesen Einfall sonstwohin stopfen!«
Padre Macaluso hatte vor dem großen Altar geschworen, keinen Streit mit dem Marchese vom Zaun zu brechen. »Wollen Sie mir wenigstens erklären, was Sie gegen den Apotheker haben?«
»Nichts habe ich gegen ihn. Im Gegenteil, er ist eine Person, die ich sehr schätze. Aber er gehört nicht einmal dem Bürgerstand an, sein Vater bestellte für den meinigen die Felder. Und Sie verlangen, daß ich meine Tochter dem Sohn eines Schlammfußes zur Frau gebe? Hören Sie gut zu – was Sie mir eben gesagt haben, ist schon vergessen. Bringen Sie mir eine Partie, die meiner Tochter würdig ist, und wir sprechen uns wieder.«
»Warum sollte ich Ihrer Meinung nach das Kuppelweib spielen?«
»Was kostet Sie das? Den Rock tragen Sie ja schon.« Sie ergingen sich in wüsten Beschimpfungen.
Zwei Wochen bevor Trisìna niederkommen sollte, befiel den Marchese heftige Unruhe. Keine Sekunde hielt er es mehr aus, ruhelos wanderte er im ganzen Haus herum und tat nachts kein Auge zu. Für jeden hatte er nur ruppige Antworten parat, nichts funktionierte so, wie er wollte. Eines Morgens, als er vom Fenster aus den Blick über sein Land schweifen ließ, brüllte er los, daß die Rebreihen schief seien und daß dieser Mißstand auf der Stelle beseitigt werden müsse; ein andermal fluchte er einen ganzen Tag lang, weil der Hahn nicht zu einer genauen Uhrzeit krähte, sondern wann es ihm paßte. Die Sache mit dem Hahn war ernst.
»Ich muß mit diesem Mistvieh von Hahn ein Wörtchen reden«, sagte er zu Natale, »der weckt mich, wenn er nicht soll, und wenn er soll, schert er sich einen Dreck drum.«
»Gehen Sie ruhig mit ihm reden«, meinte Pirrotta verdattert.
Die Unterredung zwischen dem Marchese und dem Hahn fand statt, ohne daß jemand etwas mitbekam. Der Hahn aber hatte wohl seinen Starrkopf beibehalten, denn man fand ihn später mit umgedrehtem Hals. Eine Woche war es noch bis zu dem freudigen Ereignis, als der Marchese Vigàta einen Blitzbesuch abstattete und Mimì mit der Kutsche und einen Dienstburschen sowie die Hebamme, der er ein Vermögen bezahlt hatte, mit der Kalesche abholte. Die Kindlein, die in der Woche, da die Geburtshelferin im Dorf fehlte, das Licht der Welt erblicken sollten, mußten zusehen, wie sie allein zu Rande kamen.
Fofò la Matina versprach hoch und heilig, daß er in den nächsten drei Tagen auf die Zubbie kommen würde. Das kleine Gutshaus verwandelte sich in eine Art Feldlager: Der Marchese schlief auf seinem Zimmer, der Apotheker in dem für Natale gebauten, Maddalena – auch sie war für alle Fälle gerufen worden – im Mostkeller, Mimì und der Laufbursche schliefen im Stall, Trisìna und die Hebamme im ehelichen Schlafzimmer, Natale in einem Heuhaufen im Weinberg, aber in Rufweite.
Als Trisìna laut zu jammern anfing, weil ihre Fruchtblase geplatzt war, eilten alle an die Bettstatt der Kreißenden. Nur Natale und der Marchese verließen schleunigst das Haus und ließen sich am Brunnen nieder. Wie Baumwipfel im Wind schwankten sie hin und her. Es war nicht klar, ob es sich um eine Geste der Zuneigung oder eine Vorsichtsmaßnahme handelte, als der Marchese den Arm um Natales Schultern legte. Die Helfer brachten im Eiltempo abgekochtes Wasser und saubere Tücher, während Trisìna schrie, daß sie von etwas auseinandergerissen werde. Plötzlich wurde es seltsam still, und die beiden Männer, der eine den Arm um die Schultern des anderen gelegt, wagten nicht zu atmen. Das dauerte eine Ewigkeit. Pirrotta sah einer Ameise zu, die auf einen Stein kletterte, Don Filippo beobachtete eine Grille, die sich die Flügel putzte. Aus diesem Zustand der Betäubung riß sie die Stimme der Hebamme, die im Fenster stand und eine Art gehäutetes Kaninchen mit dem Kopf nach unten in der Hand hielt und zufrieden rief: »Kommt! Das Kind ist geboren! Es ist ein Junge!« Schwach auf den Beinen, sich gegenseitig stützend, erhoben sich die beiden Männer.
Am Tag nach der Geburt
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