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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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einige Schritte zurücktreten, um die Spuren auf dem Erdboden zu sichern.
    »An dieser Stelle ist der Marchese ausgerutscht. Sehen Sie die Schleifspuren hier am Rand? Der Boden ist an und für sich schon rutschig, und erst recht nach drei Tagen Regen! Der arme Don Filippo hat vergeblich versucht, seinen Sturz zu bremsen. Sehen Sie die ausgerissene Hirsepflanze? Er ist immer weitergerutscht, bis er richtig in Fahrt kam, sich das Genick brach und am Ende mit dem Kopf auf einem Stein aufschlug.«
    »Warum glauben Sie, daß er schon tot war, als er mit dem Kopf aufkam?«
    »Weil auf dem Stein kein Tropfen Blut zu entdecken ist. Wie auch immer, sobald wir die Leiche geborgen haben, werden wir schlauer sein. Aber ich frage mich eins, warum hat er sich so weit vom Haus entfernt, und zudem an einen so gefährlichen Ort?«
    »Der Marchese, der Ärmste, war nicht mehr ganz klar im Kopf«, gab Pirrotta zu bedenken.
    »Ach ja?«
    »Ja«, schaltete sich der Apotheker ein. »Vor Tagen hat mir Pirrotta erzählt, daß der Marchese einem Hahn den Hals umgedreht hat, nur weil der nicht zur rechten Zeit krähte.«
    Zu Natale gewandt, fragte er: »Hat der Marchese gestern viel gegessen?«
    »Ich hab’s ihm gesagt, ich hab ihn gewarnt, nicht soviel zu essen. Es muß ihm schwindlig geworden sein, und dann ist er gestürzt.«
    »Und jetzt«, sagte Porterà abschließend, »reißen wir uns zusammen und schaffen ihn von dort weg, wo er liegt.«
    »Darf ich etwas fragen?« sagte Fofò.
    »Selbstverständlich.«
    »Wer überbringt seiner Tochter die traurige Botschaft?«
    Alle verstummten, keiner traute sich das zu.
    »Wie es aussieht, werde ich diese Aufgabe übernehmen«, sagte der Apotheker. »Ich mache mich sofort auf den Weg, sie darf nicht unvorbereitet sein, wenn der tote Vater nach Hause gebracht wird.«
     
    Porterà war ein geborener Scherge. Er ahnte, daß etwas an der Sache faul war, wußte aber nicht, was.
    Als der Leichnam geborgen war, ließ er ihn von Mimì nach Vigàta schaffen und schickte auch seine Männer weg. Dann brachte er sein Pferd auf die Höhe von Pirrottas Maulesel und sagte: »Ich will das Zimmer sehen, wo der Marchese geschlafen hat.«
    Das erste, was ihm beim Betreten des Raums auffiel, waren ein Geldbeutel, ein Säckchen und eine Schachtel auf dem Nachttisch. Die goldene Uhr hatte man in der Westentasche des Toten gefunden, sie ging noch, nur die Kette war zerrissen. Im Portemonnaie steckten viele Scheine, und der Beutel war voller Münzen. In der kleinen Schachtel lagen vier weiße Pillen.
    »Wißt Ihr, wofür die gut sind?« fragte er Trisìna, die den Kleinen stillte.
    »Ja. Das sind die Pillen, die der Apotheker Seiner Exzellenz gegeben hat. Die nahm er, wenn er Sodbrennen hatte.«
    »Geldbeutel, Säckchen und Schachtel nehme ich mit.«
    »Wie Sie wollen, Euer Ehren«, meinte Pirrotta.
    Der Kommissar setzte sich, schenkte sich, ohne viel zu fragen, ein Glas Wein ein und legte los: »Von wem ist der Kleine?«
    »Was heißt hier, von wem ist er? Meiner ist er«, antwortete Pirrotta.
    »Warum lebte der Marchese hier anstatt in seinem Palazzo?«
    »Das dürfen Sie uns nicht fragen. Vielleicht weil er bei uns nach dem Tod seines Sohnes Trost gefunden hat.«
    »Und den fand er bei sich zu Hause nicht?«
    »Wie es scheint, nicht so recht. Er fühlte sich derart wohl bei uns, daß er das ganze Zubbie-Gut unserem Sohn überschrieben hat.«
    Diese Enthüllung war für den Kommissar ein Schlag in den Magen: Damit fehlte das Tatmotiv für einen möglichen Mord.
    Pirrotta hatte kein Erbarmen mit ihm und sprach weiter. »Er wollte unser Kind sogar adoptieren. Trisìna und ich waren uns einig. Wenn Sie das nicht glauben, können Sie den Notar Scimè fragen.«
    »Da der Marchese jetzt tot ist, wird es keine Adoption mehr geben.«
    »Nein, der Herr, es wird keine geben.«
    »Für uns hätte der gute Marchese, Gott hab ihn selig, hundert Jahre alt werden müssen«, sagte Trisìna und brach in Tränen aus.
     
    Erst als sich das Geräusch der galoppierenden Hufe von Porteras Pferd in der Ferne verlor, wagten sie, wieder den Mund aufzumachen.
    »Du hattest recht«, sagte Trisìna.
    »Gewiß doch«, sagte Pirrotta bekräftigend. »Hätten sie ihn hier tot im Hause gefunden, wären wir auf der Stelle im Gefängnis San Vito gelandet. Das Recht ist nun mal auf der Seite der Adligen. ›Der Teufel scheißt immer auf den größeren Haufen‹, wie das Sprichwort sagt.«
    Plötzlich spürte Trisìna einen warmen Schauder im

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