Jagdsaison. Roman.
die Ohren vollzureden. »Findet Ihr das etwa richtig? Schreit diese Ungerechtigkeit nicht zum Himmel? Jetzt soll dieser Sündenbalg alleiniger Besitzer des ganzen Weinbergs der Zubbie sein? Und diese Dirne da und ihr obergehörnter Ehemann, dieser Zuhälter, dürfen das ganze Vermögen verplempern, nachdem sie den armen Don Filippo umgebracht haben?«
»Umgebracht? Aber der Kommissar hat gesagt, daß der Marchese zu Tode kam, weil er ausgerutscht und in die Schlucht gefallen ist.«
»Ja, aber warum ist er ausgerutscht?«
»Was weiß ich? Weil er den Fuß verkehrt aufgesetzt hat.«
»O nein, der Herr, der Apotheker hat sich über diesen Punkt mit wissenschaftlicher Gründlichkeit ausgelassen. Er hat gesagt, daß der Marchese sich zuerst unwohl gefühlt habe, eine Kreislaufschwäche oder so ähnlich, und deswegen gestürzt sei.«
»Und was soll das heißen?«
»Ich wundere mich über Euch. Er hatte einen Schwindelanfall, ihm drehte sich der Kopf, weil diese Hure ihm alle Kraft aus den Lenden gesogen hatte.«
»Die Hure, wie Sie sie nennen und für die ich leider das Wort ergreifen muß, tat nichts weiter als das, was der Marchese von ihr wollte. Im übrigen, wenn es Ihnen genehm ist, was für einen Vorteil sollten die beiden denn aus Don Filippos Tod gezogen haben? Hätte der Marchese weitergelebt, wären sie zu reichen Leuten geworden.«
»O nein, die haben sich in alter Bauernschläue gesagt: Besser ein Spatz – in dem Fall die Zubbie – in der Hand als eine Taube auf dem Dach.«
Und so verging ein Tag nach dem anderen, und eines Nachts stand Padre Macalusos Entschluß fest. Er wollte jedoch keine Ungerechtigkeit rächen, sondern selbst eine begehen. So würde er sich endlich für sämtliche Bosheiten revanchieren, die der Marchese ihm zugefügt hatte.
Als erstes ging er zum Buchhalter Papìa, der als ehrenhafte Person galt. Der bestätigte die erfolgte Schenkung, betonte aber, daß der Besitz des Marchese riesengroß sei; und der Verlust der Zubbie bedeute nicht mehr als einen Tropfen aus einem vollen Weinkrug. Und sein Wort war Gesetz, denn er war Don Filippos Verwalter gewesen und übte dieses Amt weiterhin aus, nachdem Ntontò ihm ihr Vertrauen ausgesprochen hatte. Padre Macaluso hatte noch nicht genug und wurde im Studio des Notars Scimè vorstellig.
»Ich weiß nicht, mit welchem Recht Sie derlei Auskünfte von mir wollen«, sagte der Notar eiskalt.
»Mit dem Recht des Bürgers und des Geistlichen«, erwiderte Padre Macaluso aus stolzer Brust.
»Das ist hier drin keinen Pfifferling wert. Doch um jeden Zweifel aus der Welt zu schaffen, darf ich Ihnen sagen: Die Sache mit der Schenkung stimmt. Und die Erbin, die Marchesina, hat, wenn sie will, dreißig Tage Zeit, um Einspruch zu erheben. Doch in dem Fall soll sie sich einen guten Anwalt suchen.«
»Das Testament wird uns doch wohl keine Überraschungen bescheren?«
»Was für ein Testament? Ich will mich mal in Ihrer Sprache ausdrücken: Es wäre leichter gewesen, ein Kamel zu dem Schwachsinn zu bringen, wie er in der Bibel steht, als die gute Seele davon zu überzeugen, ein Testament aufzusetzen.«
Um das Maß voll zu machen, beschloß Padre Macaluso, den Advokaten Cassar aufzusuchen, eine Koryphäe auf seinem Gebiet.
»Wir können es versuchen«, lautete die Meinung des Anwalts, »aber wir brauchen gewichtigere Argumente, um seine Unzurechnungsfähigkeit zu beweisen.«
»Wie bitte? Dem Hahn den Garaus zu machen, weil er nicht kräht, wann er soll, oder wirres Zeugs zu schreien, weil die Rebreihen ungleich sind, zeugt das nicht von geistiger Umnachtung?«
»Nicht unbedingt. Beispielsweise habe auch ich es gern, wenn die Rebreihen schön gerade sind. Und meine Mutter schimpft wüst und tritt gegen die Stuhlbeine, wenn die Stühle nicht da stehen, wo sie stehen sollen. Und bis zum Beweis des Gegenteils erfreuen wir uns vollkommener geistiger Gesundheit. Doch lassen Sie mich ruhig an die Arbeit gehen. Zuallererst muß die Marchesina ihr Einverständnis geben, denn sie ist ja die Alleinerbin.«
Als Padre Macaluso, diesmal in Begleitung der Signora Colajanni, die Marchesina aufsuchte, fragte diese ohne Umschweife: »Warum hing mein Vater denn so sehr an diesem Knaben?«
Da wurde Padre Macaluso mit Schrecken klar, daß Ntontò keine Ahnung hatte und als unschuldiges Wesen über jeden Verdacht erhaben war.
»Bei der Heiligen Jungfrau«, dachte er, »wo soll ich nur anfangen?«
Frau Colajanni kam ihm zu Hilfe. »Die Wahrheit ist und bleibt die
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