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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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nächsten Tag vor Ntontò. »Ich habe deinen Vater zweimal auf den Zubbie besucht«, sagte Baron Uccello. »Er fehlte mir einfach. Ich war gewohnt, ihn jeden Tag zu sehen. Und so stieg ich in die kleine Kutsche und machte mich in der Absicht auf den Weg, am selben Abend wieder nach Vigàta zurückzukehren. Aber beide Male blieb es bei dem bloßen Vorsatz. Ich mußte dort übernachten, da ließ sich nichts machen. Mir war es unangenehm, denn ich bereitete Ungelegenheit. Trisìna mußte ihr Zimmer neben dem deines Vaters mir überlassen und in dem von Natale schlafen; und der wiederum wurde für die Nacht in den Stall geschickt.«
    »Und was habt ihr gemacht?«
    »Nichts Besonderes. Was wir sonst auch taten. Essen, Witze reißen, Karten spielen. Übrigens die Karten waren das Spiegelbild der Seele deines Vaters, wußtest du das, Ntontò?«
    »Nein, Zizì. Was bedeutet das?«
    »Das heißt, er war unschlagbar, wenn sein Gemüt heiter und sorgenfrei war. Wenn jedoch etwas nicht so lief, wie er wollte, verlor er. Und auf den Zubbie wäre ich auch dann nicht in der Lage gewesen, eine einzige Runde zu gewinnen, wenn der Allmächtige meine Hand gelenkt hätte. Es war zum Verrücktwerden.«
    »Dann war er also glücklich?«
    »Glücklich?« Sinnierend sah er sie an. »Im siebten Himmel war er, Ntontò.«
     
    »Heute abend«, sagte Ntontò zu Peppinella, »deckst du den Tisch für drei.«
    »Wer kommt?« fragte die Dienerin alarmiert.
    »Niemand kommt. Von heute an eßt ihr, du und Mimì, mit mir.«
    »Am Tisch mit Euer Ehren?« rief Peppinella voller Entsetzen.
    »Wieso, gibt es etwas dagegen einzuwenden?«
    »O ja. Erstens ist es nicht richtig. Und zweitens wissen ich und mein Mann nicht, wie man an einer Tafel ißt. Ich schmatze, und Mimì läßt sich gehen.«
    »Macht ruhig Geräusche und laßt euch gehen, wie es euch gefällt. Ich will darüber nicht mehr diskutieren.«
    Beim Abendessen mit Peppinella und Mimì, die wie versteinert dahockten, erläuterte Ntontò ihren Entschluß: »Wenn ich weiterhin allein bei Tisch sitze, werde ich am Ende noch verrückt.«
    Dann sah sie den beiden in die Augen und sagte: »Du, Peppinella, und deine Schwester Maddalena, und du, Mimì, ihr wußtet, was mein Vater auf den Zubbie machte?«
    »Ja«, antwortete Mimì kaum hörbar.
    »Und warum habt ihr mir nichts gesagt?«
    »Mimì wollte es Ihnen sagen«, ließ sich Peppinella vernehmen. »Aber ich war dagegen. Mir hätte es leid getan, Euer Ehren traurig zu stimmen.«
     
    »Die Marchesina beweist Tag um Tag aufs neue, daß sie die Anlage zum Wahnsinn von väterlicher Seite geerbt hat«, verkündete der Postbeamte Colajanni im Zirkel. »Jetzt ißt sie sogar schon mit dem Dienstvolk am selben Tisch. Sie, eine Adlige!«
    »Machen wir eine Unterscheidung«, ließ sich Baron Uccello vernehmen. »Es handelt sich nicht um x-beliebige Bedienstete. Peppinella und Mimì haben sie großgezogen und immer für sie gesorgt.«
    »Na und? Sie sind und bleiben Dienstleute.«
    »Und Sie sind und bleiben ein Scheißbollen«, schaltete sich mit ruhiger Stimme Commendatore Aguglia ein, der ehemalige Garibaldino.
    Colajanni verschlug es die Sprache. »Was fällt Ihnen bloß ein? Sie werden mir Satisfaktion geben müssen!«
    »Wann und mit welchen Waffen Sie wünschen. Sich mit Ihnen zu schlagen ist ja ungefährlich. Bekanntlich stinken die Scheißbollen, aber sie töten nicht.«
    »Betrachten Sie sich als geohrfeigt.«
    »Ich denke gar nicht daran. Sie erheben sich jetzt von Ihrem Stuhl da und kommen her, um mich eigenhändig zu ohrfeigen. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder befördere ich Sie mit einem Tritt in den Arsch bis nach Malta, oder ich wische mir das Gesicht mit einem Stück Papier ab, wie ich es handhabe, wenn ich gekackt habe. Besser gesagt, machen wir es so: Ich überlasse Ihnen die Wahl.«
     
    Ntontò erhielt noch einen prächtigen Rosenstrauß. Die Grußkarte besagte: »Für die, die mutig und selbstlos Garibaldis Ideale der Gleichheit verwirklicht. Commendatore Aguglia.«
    »Was hat der nur für merkwürdige Einfälle?« fragte sich Ntontò baß erstaunt.
     
    Mit bestürztem, zornigem oder langem Gesicht sah die Mehrheit der Vigateser die Karosse mit dem Wappen des Hauses Peluso von der Straße der Zubbie kommend den Corso überqueren und in das Portal des Palazzos fahren: Auf dem Kutschbock hockte Mimì, im Innern des Wagens saßen Natale Pirrotta und Trisìna, die den Kleinen im Arm hielt. Die Minderheit aber, aus Baron Uccello

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