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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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und Commendatore Aguglia bestehend, jubelte. Und keines der beiden Lager hatte auch nur die geringste Ahnung, was der Grund dieses Besuchs sei.
    »Die Marchesina hat sie sehen wollen«, erklärte Mimì und schüttelte zwei oder drei Personen ab, die ihn wie bissige Hunde angefallen hatten, um etwas aus ihm herauszubringen. Mehr sagte er nicht, kannte er doch selbst die Hintergründe für diesen Geniestreich seiner Herrin nicht.
    »Heilige Jungfrau, wie schön sie ist«, dachte Trisìna, als sie Ntontò zu Gesicht bekam, und die Angst, die sie während der Fahrt hatte und die ihre Kleider schweißnaß auf der Haut festkleben ließ, verflog. Eine, die so schön ist wie die Heilige Jungfrau, ist von Natur aus nicht in der Lage, Böses zu tun, überlegte sie.
    »Ich habe euch rufen lassen«, sagte Ntontò, als sie mit den dreien allein im Empfangszimmer war, »weil ich den Kleinen sehen wollte.«
    Trisìna streckte ihr die Arme entgegen, sie stand auf, schob das Tuch beiseite und betrachtete das schlafende Kind.
    »Schön ist es«, sagte sie nach einer Weile. »Wie alt?«
    »Drei Monate.«
    »Setzt euch.«
    Natale und Trisìna nahmen stocksteif Platz.
    »Ich möchte niemanden beleidigen. Aber ich muß mir unbedingt Klarheit verschaffen. Zuallererst möchte ich euch sagen, daß ich mich weder von meinem Vater noch von euch oder von dem Kleinen da in meiner Ehre gekränkt fühle.«
    »Euer Ehren werden mich niemals beleidigen können. Wie auch die gute Seele des Marchese es nie getan hat«, erklärte Pirrotta. »Ihr habt das volle Recht, für alles, was Euch durch den Kopf geht, eine Erklärung zu verlangen.«
    »Wer ist der Vater?« fragte Ntontò, auf den Knaben deutend.
    »Der gute Marchese, Gott hab ihn selig«, gab Pirrotta zur Antwort. »Und das kann ich aufrechten Hauptes sagen, denn weder Lüge noch Betrug waren im Spiel. Doch die Leute dürfen das nicht wissen, für sie ist es mein Sohn.«
    »Das stimmt«, sagte Ntontò. Sie hatte sich von Trisìna das Kindlein geben lassen und hielt es jetzt auf dem Arm.
    »Wie ist er gestorben?« fragte die Marchesina nach einer Weile.
    »Er ist ruhig entschlummert, auf seinem Bett, ohne etwas zu merken. Trisìna ging in sein Zimmer, um ihn zu wecken, und da war er schon tot. Und er sah nicht einmal aus wie ein Toter, er schien zu schlafen«, sagte Pirrotta.
    »Warum habt ihr ihn dann in die Schlucht geworfen?«
    »Wenn man ihn bei uns im Hause gefunden hätte, so würde man mir und Trisìna die Schuld an seinem Tod in die Schuhe geschoben haben. Das steht fest, bei all den Gerüchten, die im Umlauf sind. So lud ich ihn mir auf die Schulter, trug ihn in die Nähe des Abgrunds und veranstaltete ein bißchen Theater, um Porterà glauben zu machen, daß der Marchese ausgerutscht sei.«
    »Danke für die ehrlichen Worte.«
    »Meine Pflicht.«
    Ntontò klingelte nach Peppinella, die voller Neugier ins Zimmer eilte. Alles schien ruhig.
    »Peppinè, tu mir einen Gefallen, hol die Schmuckschatulle von der Kommode in meinem Zimmer. Bring sie her.«
    »Das habe ich absichtlich so gemacht«, sagte Ntontò, kaum war Peppinella draußen. »Ich hätte ja auch selbst in mein Zimmer gehen können, aber ich brauche einen Zeugen. Die Leute sind nämlich imstande und behaupten, daß ihr das, was ich dem Kleinen schenken will, gestohlen hättet.«
    Als die Bedienstete zurück war, öffnete Ntontò die mit Intarsien verzierte Schatulle und entnahm ihr eine Halskette aus reinem Gold mit einem Anhänger, in dem eine Kamee mit dem eingravierten Profilbild des Marchese eingefaßt war.
    »Das hat mein Vater für mich machen lassen«, sagte sie und legte dem Knaben das Kettchen um den Hals.
    Natale fiel auf die Knie, ergriff die Hand seiner Herrin und bedeckte sie mit Küssen und Tränen.
    »Was auch immer ihr braucht«, sagte Ntontò abschließend, »ich bin stets für euch da.«
     
    Die Nachricht, daß Marchesina Antonietta Peluso di Torre Venerina die einzige Überlebende des gesamten Geschlechts war, kam Baron Nenè Impiduglia zufällig zu Ohren, obendrein mit einigen Monaten Verspätung. Es geschah bei einem Empfang des Offizierszirkels in Palermo, und zwar durch den ältesten Sohn des Barons Uccello. Bei der Aufzählung der Unglücksfälle, die auf Ntontò niedergegangen waren, zeigte sich Nenè Impiduglia vor aller Augen gerührt.
    »Gleich morgen mache ich mich auf nach Vigàta«, verkündete er.
    Sein Vorhaben setzte er auch in die Tat um. Seine Ankunft mit dem »Franceschiello« verursachte

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