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Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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doch an, ich bin ein moderner Großstadtbewohner! Ich weigere mich sogar, diese grässlichen italienischen Stehklos zu benutzen, die nur aus einem Loch im Boden bestehen, ebenso wie jede Form von Plumpsklo. Schon als Kind habe ich mein Töpfchen als erniedrigend empfunden. Es
ist mir ein Rätsel, wie ich es je fertiggebracht habe, in eine Windel zu pinkeln.
    Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Ich bin jemand, der seine Exkremente unter allen Umständen in hygienisch saubere Klomuscheln abgibt, danach auch gerne mehrmals spült (die Umweltaktivisten mögen mir verzeihen!), eine WC-Ente zur Säuberung, selbst unter dem Rand, verwendet sowie feuchtes UND trockenes, mehrlagiges Toilettenpapier für sein eigenes Wohlbefinden in Reichweite hat. Im Idealfall auch eine Packung Streichhölzer, was aber eine andere Geschichte ist. So weit alles klar?
    Durchaus. Daher mein freundlicher, vollkommen zivilisierter Ratschlag von Unterbewusstseinsfrau zu Bewusstseinsfrau: Such. Dir. Einen. BUSCH!
    Das ist das Schlimme an der Kommunikation mit sich selbst: Es gibt einen Punkt, an dem eine vernünftige Diskussion nicht mehr möglich ist und niedere Instinkte über die spröde Vernunft siegen.
    Instinkte. Stand nicht auch etwas davon in Mimmers Flaschenpost? Wenn du auf der Suche bist, Wanderer, halte dich an deine Instinkte. Ja, das waren die Worte des Dorfdichters. Also was soll’s. Der Druck auf die Blase ist ohnehin zu groß. Ich kapituliere vor der Einsicht, dass die Flüssigkeit sonst früher oder später in die Hose geht, und mache mich auf die Suche nach einem geeigneten Busch.
    Der aufmerksame Leser fragt sich nun bestimmt, was in dieser Situation einen geeigneten Busch auszeichnet, zumal Büsche mitten im Wald ja keine Seltenheit und sich generell ähnlich sind. Hm, schwer zu beantworten, wahrscheinlich suche ich nach einem Porzellanbusch mit Wasserspülung oder zumindest,
falls ein solcher nicht verfügbar ist, nach einem möglichst dichten, sichtgeschützten Strauch ohne versteckte Disteln, Dornen, spitze Zweige, Spinnennetze, Ameisenhaufen und ähnliche klogangfeindliche Accessoires. Warum sichtgeschützt? Nun, ein Minimum an Würde will man sich auch in der NATUR bewahren. Da meine Kenntnisse über das Wahrnehmungsvermögen von Würmern, Vögeln oder Eichhörnchen relativ gering sind und ich immer noch das dumpfe Gefühl habe, ständig beobachtet zu werden, habe ich nicht vor, mich so ganz ohne Sicherheitsvorkehrungen entblößt in die Hocke zu begeben. No way!
    Schließlich werde ich sogar fündig. Eine Reihe nebeneinanderstehender, brusthoher Büsche erfüllt meine Mindestanforderungen. Ohne länger zu zögern, quetsche ich mich dazwischen, ziehe Hose sowie mit einiger Mühe das Figurformding runter, halte beides so weit weg wie möglich und lasse endlich (jaaaaaaaaa!) den Strom fließen. Das funktioniert so weit ganz gut, obwohl ich, auf der Suche nach Blattwerk mit Klopapierersatzfunktion, beinahe einer Brennnesselattacke zum Opfer gefallen wäre. Einzige Schwierigkeit ist es, anschließend aufzustehen, ohne in die selbst produzierte Lache zu treten, weshalb - Sch…!
    Umgekippt. Dem Buschgott sei Dank nach hinten, weswegen ich nun wie ein verdrehter Krabbelkäfer nur halb bekleidet auf dem Rücken liege und mit Interesse die Buschreihe mustere, die mir als Abort gedient hat. Sehr viel Symmetrie eigentlich für diesen vermaledeiten Wald. Busch reiht sich an Busch, als begrenzten sie etwas, zum Beispiel - einen WEG!
    Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf, ziehe meine Hose hoch und sehe mich begeistert um, während ich alle
Knöpfe sorgfältig schließe. Sicher, er ist ziemlich überwuchert von Unkraut, und sehr breit ist er auch nicht, aber er ist eindeutig mehr als ein simpler Trampelpfad. Ein Weg! Ich habe einen Weg gefunden! Ein Hoch auf die Instinkte!
    Momentan fühlt sich das an wie ein Lottosechser, denn ein Weg führt immer von A nach B. Ein Weg beginnt nicht einfach mitten im Nichts. Entweder durchquert er den Wald, kreuzt womöglich weitere Wege, oder aber er führt vom Waldrand zu einem bestimmten Punkt im Wald. Einer Hütte, zum Beispiel, mit eingebauter Inspirationsquelle! Ich vertage augenblicklich die Sache mit dem postumen Ruhm. Der kann warten. Die glänzende Zukunft als produktivste Schriftstellerin des dritten Jahrtausends scheint mir verlockender. Daher ist die einzig verbleibende Frage die nach der Richtung.
    Nachdenklich blicke ich erst nach links und dann nach rechts, als ließe

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