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Jagdzeit

Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Osborn
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draußen gedämpfte Stimmen, ein unterdrücktes Kichern. Aus Neugier öffnete sie die Vorhänge und schaute raus. Drei Mädchen kamen aus dem Zimmer nebenan, wo diese nett aussehenden Männer wohnten, die mit dem Kombi voller Campingausrüstung. Gestern beim Dinner hatte sie sofort ihr gutes Aussehen registriert, ihre teure Kleidung, ihre feinen Manieren. Irgendwo gab es Frauen, die das Glück hatten, diese Männer zu besitzen. Die Wirtin umschwirrte sie wie ein Schulmädchen, die Kellnerinnen beeilten sich, sie zu bedienen, und erröteten dabei. Sie hatten Geld und zeigten es. Erfolgreich. Karrieremänner, die es in Detroit oder Chicago zu etwas gebracht hatten. So musste es sein.
    Daher waren die Mädchen jetzt ein Schock für Nancy. Dass es da überhaupt Mädchen gab. Hatten solche Männer das nötig? Ihre Frauen waren doch sicher attraktiv und würden alles tun, um sie und das luxuriöse Leben zu behalten, das sie zu bieten hatten.
    Dann das Alter der Mädchen, der flüchtige Eindruck, als sie im gelben Licht einer Laterne rasch weghuschten, schlanke, junge Körper, fast knabenhaft, Kinder; die kleine Blonde war bestimmt nicht mal fünfzehn.
    Um sie herum ein rosiger Hauch von Nachtdunst inmitten der toten Finsternis vor Morgengrauen. Das ferne Geräusch eines Autos und wieder Stille.
    Im Bett murmelte Martin im Schlaf, drehte sich um. Nancy wartete. Schließlich sagte ihr sein Atem, dass er wieder tief schlief.
    Sie ging ins Badezimmer zurück und schloss die Tür. Sie zitterte. Ihr war übel und sie schauderte. Automatisch drehte sie die Dusche auf, stieg hinein und seifte sich ein, immer wieder, um den ekligen Dreck abzuwaschen, den sie beim Blick aus dem Fenster empfunden hatte. Dreck und Wut. War Sex das Einzige, woran Männer jemals dachten, was sie wollten? Das konnte doch nicht sein. Männer bauten doch auch Denkmäler, leiteten Regierungen, schrieben großartige Bücher und großartige Musik. Männer begleiteten ihre Frauen in Supermärkte und Kaufhäuser, halfen bei der Kindererziehung, nahmen an Elternabenden teil, gingen zu Footballspielen, hielten bei netten Partys höflich ihre Drinks, während sie ernsthafte Bemerkungen über das Leben machten. Ein Mann liebte eine Frau, und eine Frau liebte einen Mann und dann heirateten sie, kauften ein Haus, machten Liebe und zeugten Kinder; ja, sie taten noch mehr; sie schufen etwas gemeinsam, eine Einheit, etwas doch weitaus Bedeutsameres als verstohlene Liebe in Motels. Selbst wenn es teure Motels, wie dieses hier, waren.
    Eine Parade der Menschheit marschierte an Nancys Augen vorbei unter dem silbrigen Schauer trommelnden Duschwassers. Romantisch, wie in einem Bilderbuch, gingen Männer und Frauen in Stadtbüros zur Arbeit, kultivierten Felder und Weiden, flogen durch den blauen Himmel und segelten auf den grünen Meeren. Kinder in einer unendlichen Zahl von Schulen erschienen vor Nancys geistigem Horizont. Und Bibliotheken, öffentliche Gebäude, Kliniken und Universitäten. Und tief in ihrem Inneren hörte sie den ernsten Tonfall von Politikern, Professoren und Geistlichen, die ihre Worte in Mikrofone und von Kathedern und Kanzeln herab sprachen.
    Als Nancy das Wasser abgedreht und sich abgetrocknet hatte, fühlte sie sich besser. Vielleicht taten die drei Männer nebenan das, was sie wohl letzte Nacht getan hatten, nur in einem kleinen Winkel ihres Lebens. Vielleicht sahen sie das Leben genauso wie sie. Wenn das stimmte, dann wären sie nicht das Hinterletzte an Abscheulichkeit, man musste ihnen verzeihen und was sie gesehen hatte, durfte sie ihnen nicht vorwerfen. So musste es sein. Es waren achtbare Leute, die Art von Leuten, denen jeder gerne selbst zugehören wollte.
    Sie hüllte sich in das Handtuch kuschelte sich in der Dunkelheit in einen tiefen, weichen Sessel und wartete auf Martins Erwachen, während sie jedes — auch das geringste — Aufkeimen von Bosheit unterdrückte, um rein zu bleiben.
    Martin liebte sie wirklich. Und sie hatte Martin gern. Es war nicht wichtig, dass sie im Bett mit ihm nicht viel empfand, sie hatte noch nie mit jemandem viel dabei empfunden. Er war ein netter Mann, und es war normal, dass er sie begehrte und wollte, dass sie auf seine Performance stolz war. Sie würden sich von Eddie und Jean scheiden lassen und heiraten. Den Kindern würde es nicht schaden. Kinder passten sich heutzutage an, sie waren jung, und man würde sich schon arrangieren. In ihrem Geist tauchten Rechtsanwälte, Kanzleien, ein Gericht und ein

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