Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagdzeit

Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Osborn
Vom Netzwerk:
Seite erreichen konnte, waren es mindestens hundert Yards. Rechts reichte der Sumpf in einem Bogen bis zum Seeufer, links verlor er sich schließlich in einem Gewirr von Sumach.
    Was er durchquert hatte, war also nicht der Wald des wirklichen Festlands, sondern eine Art Landzunge, das falsche Ufer. Wie weich war der Boden dort vorn? Konnte er überhaupt darauf laufen? Er machte einen Schritt vorwärts und versank sofort bis zu den Knien in saugendem Schlamm. Eisiges Wasser erschien in schwarzen Pfützen um seine Beine. Er machte noch einen Schritt und sank noch tiefer ein. Mit Hilfe eines Bäumchens, an das er sich klammerte, zog er sich wieder heraus. Vorwärts konnte er also nicht gehen. Entweder rechts oder links oder zurück.
    Es war ein Desaster. Wenn er sich rechts oder links vom Sumpf bewegte, würde er eine ideale Zielscheibe abgeben. Sie brauchten sich nur ins Gebüsch zu hocken, zu warten und aufmerksam zu horchen, um seine Position auszumachen, ein Kinderspiel, wenn er gegen diese unüberwindbare Grenze gedrückt war. Er konnte also nur zurücklaufen.
    Martin drehte um und machte erste, tastende Schritte, wobei er sich bemühte, möglichst keine Bäumchen zu streifen oder im Unterholz Geräusche zu machen, und er fing an, einen Plan zu fassen. Sie würden erwarten, dass er flüchtete. Und wenn er es nicht tat? Wenn er stattdessen zum See zurückkehrte, womöglich sogar auf die Insel? Wenn er das schaffte, ohne gesehen zu werden, könnte er sich bewaffnen. Wie Nancy vorgeschlagen hatte. Aber jetzt machte es Sinn, weil die drei nicht auf der Insel waren; sie waren hier und würden ihn dort nicht suchen.
    Solange er nicht entdeckt wurde. Er ging in die Hocke, bewegte sich auf allen Vieren weiter und hielt immer in kurzen Abständen inne, um zu horchen. Wo, zum Teufel, waren sie? Konnte er hoffen, sie durch das Gestrüpp hindurch auszumachen, das selbst zu dieser Jahreszeit sehr dicht war? Oder würde da dieser schreckliche Augenblick sein, wo einer von ihnen im wörtlichen Sinn über ihn stolperte und lachte, und er nur noch die eine, letzte, schreckliche Sekunde hatte, bevor ihn die Finsternis erschlug?
    Völlig regungslos lag er da. Warteten sie auch? Auf seine erste falsche Bewegung? Sie mussten wissen, dass er bis zum Sumpf gekommen war und nicht weiter konnte. Sie wussten, dass er entweder nach links, rechts oder zurück gehen musste. Genauso wie sie jeden verdammten Fleck dieses Geländes im Umkreis von Meilen kennen mussten.
    Dann sah er eine Bewegung an der Spitze eines Sumachstrauchs. Vielleicht dreißig Fuß entfernt. Kaum wahrnehmbar, ein schwaches Zittern eines schlanken Stamms. Ein Vogel? Er wartete. War da ein Geräusch?
    Plötzlich wusste er, was er tun musste. Seine Finger tasteten lautlos unter den welken Blättern, fanden einen kleinen Stein und befreiten ihn aus seinem halbgefrorenen Bett. Er zielte sehr vorsichtig Richtung Sumpf in einer Linie, die irgendwo hinter ihm begann und sich nach vorne in Richtung Sumach fortsetzte, wo er die Bewegung wahrgenommen hatte. Dann schleuderte er den Stein.
    Das Geräusch, das der Stein machte, als er im Abstand von zwanzig Fuß im Unterholz aufschlug, war hörbar und natürlich. Genau die Art Geräusch, die ein Mann verursachen würde, wenn er stolperte oder irgendwo anstieß.
    Es war die Art Geräusch, die jeder Mensch machen würde, der sich nicht gerade totenstill an den Boden presste und um sein Leben kämpfte. Ken oder Art oder Greg, wer auch immer von ihnen den Sumach bewegt hatte, müsste sich für eine von zwei Möglichkeiten entscheiden: das Geräusch für echt halten und ihm nachgehen, was Martin die Möglichkeit gab, das Ufer zu erreichen. Die Alternative war, dem Geräusch nicht zu trauen, es für eine gezielte Ablenkung zu halten und zum See zurückzukehren, in der Annahme, dass Martin sich dorthin wandte. Sollte dies der Fall sein, würde Martin warten, das in die Enge getriebene Tier vorsichtiger als der Jäger, das verwundete Wildschwein, versteckt im Gebüsch, bereit, hervorzubrechen und den Verfolger niederzustrecken, bevor auch nur ein Schuss abgegeben werden konnte.
    Wenn es bloß einer von ihnen war und nicht zwei. Aber sie mussten sich getrennt haben. Einer würde im Boot sein; die anderen beiden waren an Land ausgeschwärmt, vielleicht hundert oder zweihundert Yards voneinander entfernt. Welcher war jetzt sein Gegner? Und wo genau war der Mann jetzt?
    Martin bewegte sich mit wohlüberlegter, absolut geräuschloser Langsamkeit.

Weitere Kostenlose Bücher